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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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dich mit deinem scheiß Testament beschäftigst, umso mehr denke ich, du willst vielleicht selber gehen. Dich umbringen. Die Option hältst du dir immer offen, oder?«
    Warum ist der so schlau? Die Liebe meines Lebens. Ja, tut mir leid, ja. Ich kann das Leben ganz oft einfach kaum aushalten. Ich möchte die Möglichkeit haben, auch gehen zu können, wenn ich will.
    »Ich finde es schlimm, dass ich dich habe und Liza, ihr haltet mich hier, ich will aber nicht hier sein, ganz oft. Und wenn ich euch nicht hätte, wäre ich schon längst weg. Und deswegen muss ich immer mein Testament anpassen, falls es mal so weit ist, weißt du, falls ich es doch mal schaffe, mich von euch zu lösen. Im Testament steht, dass du und Stefan zusammenziehen müsst, für Liza, und sie dann zusammen großzieht. Macht ihr das dann? Wenn das da steht?«
    »Ich weiß, was da alles drin steht, ich kenn das doch alles, alle Zusätze, das macht mich so traurig, Elizabeth, dass du die ganze Zeit deinen Abgang vorbereitest, das heißt doch, dass du nicht richtig hier bist, bei mir, bei Liza, im Leben.«
    »Ja, tut mir leid, kann schon sein. Ich kann das nicht ausschließen, weißt du, ich will das auch nicht ausschließen. Ich habe nämlich für mein Leben schon genug schlechte Nachrichten bekommen. Ich will keine einzige mehr hören. Nie wieder. Und dafür gibt es keine Garantie, niemand kann mir das garantieren: keine schlimmen Nachrichten mehr. Ich gehe dann kaputt, ein einziger Umpuster, und ich geh kaputt. Mehr geht da nicht in meinen Kopf rein.«
    »Es wird schon keine schlimmen Nachrichten mehr geben. Es könnte doch wirklich sein, dass es das war. Ja. Aber garantieren kann ich das nicht, klar. Elizabeth, bitte zerreiß dein scheiß Testament für mich.«
    »Nein, Georg, ich kann das nicht. Verlang das nicht von mir. Hör auf.«
    Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Ich weiß schon, was er will. Ich soll mich entscheiden für ihn, für das Leben, für das Kind, ich kann das aber nicht, nicht ganz jedenfalls. Ich weine. Das ist auf Dauer ganz schön anstrengend: ein Bein im Leben, ein Bein im Grab, die ganze Zeit auf dem Sprung, ich kann mich nicht entscheiden, weder für das eine noch für das andere. Ich will deswegen nicht so stark lieben, dass es mir das Herz rausreißt, wenn jemand davongehen muss. Ich möchte nicht so viel investieren, dass ich nachher dran kaputtgehe, wenn der- oder diejenige dann weg ist. Alles mit angezogener Handbremse, immer in Lauerstellung, ich beobachte dich, Gevatter Tod. Wen du als Nächstes holst. Ich muss alles tun, was in meiner Macht steht, um meinen Mann und mein Kind vor dir zu schützen. Keine dummen, fatalen Fehler begehen.
    Georg nimmt mich in den Arm.
    Oh, Mann, wie oft haben wir dieses Gespräch schon geführt?
    »Bleib bei mir, bleib am Leben, Elizabeth!«
    Er quetscht mich so feste, dass er mir die Luft aus den Lungen rausdrückt, ich mache ein unkontrolliertes Quetschgeräusch.
    »Ja, ja. Ich geh ja nicht direkt. Nicht bald.«
    »Soll ich das dann für dich zerreißen?«
    »Wehe! Bitte. Mach das nicht, ich weiß ja, was du meinst, ich arbeite dran, aber nicht zerreißen, ja?«
    »Dann mach du. Zerreiß du.«
    »Nein, ich zerreiß das auch nicht. Ich komm da schon von weg, aber nicht zerreißen, bitte. Bitte, bitte, bitte!«
    Ich lege mich an ihn ran. Meine Hand wandert unter den Ärmel des T-Shirts, damit ich seine weiche Haut an der Innenseite des Oberarms fühlen kann.
    Ich strecke alle viere von mir, das Leben ist mir zu anstrengend. Alles, was ich machen will, darf ich eigentlich nicht machen, weil es für mich oder andere schlecht ist.
    Verzweifelt sage ich »Themawechsel« zu meinem Mann.
    Das kennt er schon. Das bedeutet, ich muss abgelenkt werden, weil mein Kopf brummt und ich Angst habe, verrückt zu werden.
    Georg nimmt mich feste in den Arm. Wir bleiben lange so.
    Ich krieg mich wieder ein und frage: »Was ist denn jetzt mit diesen Schweizer Kunsttanten? Was machen die denn besser als andere?«
    »Die haben einfach viele Filme zusammengeschnitten, Sexszene an Sexszene, schön mit Musik unterlegt. Kein dummes Drumherum, keine erniedrigenden Dialoge. Alles aus den Zeiten, wo die Sexdarsteller noch aussahen wie echte Frauen und Männer.«
    Okay, schon abgelenkt.
    Mein Mann hat alles, was er mit meiner Vagina kann, und das ist viel, aus Pornofilmen gelernt. Sie sind nachweislich für mein sexuelles Glück verantwortlich, für jedes Kommen, jeden Orgasmusfleck, den ich in den letzten

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