Schossgebete
riesigen Silikonbrüsten. Mein Mann kann das nicht so gut.
Wir suchen auch niemals junge Prostituierte aus. Die sind noch so unsicher. Und so zappelig mit ihren Händen. Die Frauen, die wir für einen Dreier aussuchen, müssen mindestens achtundzwanzig oder so sein. Gerne auch viel älter. Bis zu fünfzig ist für uns vorstellbar. Viele Freier suchen ja extra junge Frauen aus zum Bumsen. Die denken wohl, dass sich die Jugend durch den Schwanz überträgt. Ist aber nicht so.
Bin ich eigentlich lesbisch, wenn ich ständig voll erigiert mit Frauen rummache? Egal, ob ich das jetzt will oder mein Mann. Lässt sich oft nicht auseinanderklamüsern, wenn man sich liebt und zusammen ist. Die Unterteilung in »das will ich, und das will er« ist schwer. Mein Mann will jedenfalls keinen Mann anfassen, leider, sonst könnten wir unsere sexuellen Abenteuer einfach umdrehen. Mal eine Frau, mal ein Mann, und immer mein Mann und ich mit ihnen im Bett. Wenn ich aber mit einem bezahlten Mann – falls wir einen finden würden, der nicht voll schwul aussieht – was mache im Bett, will Georg schon mal auf keinen Fall mitmachen. Zugucken eventuell, was ich aber im Kopf schon komisch finde.
Mit Frau Drescher rede ich auch zum hundertsten Mal darüber, wie stolz ich bin, dass ich meinen Mann manchmal alleine in den Puff schicke, und wie das bei mir das absolute Begehren nach ihm weckt. Verrückt! Was das für einen Effekt haben kann. Seinen Mann zu einer anderen zu schicken. Ich versuche immer weniger Kontroletti zu werden, ich will von mir los. Ich bin sonst so streng. Wenn ich einmal lockerlasse, ihn alleine in den Puff schicke, geht’s mir so gut wie noch nie! Und dass mein Mann immer noch Angst hat vor mir, weil ich früher, oder sagen wir ehrlicherweise: bis vor Kurzem noch, regelmäßig ausgerastet bin, vor Eifersucht, aus Angst, ihn zu verlieren. Großes Thema: Was Drescher wohl meint, wie lange ich mich jetzt gut benehmen muss, damit er keine Angst mehr vor mir hat, wie lange, wie viele Jahre ich ihm jetzt beweisen muss, dass ich viele von den bösen, hässlichen, aggressiven Stellen in mir mit ihrer Hilfe rausoperiert habe, bis in seinem Empfinden das Gute das Schlechte überlagert.
Zwischendurch frage ich wie immer: »Haben wir noch was Zeit?« Sie antwortet oft: »Ja. Ein paar Minuten noch.«
Dann kriege ich noch ein paar Themen unter. Ich frage sie, wie lange das wohl noch dauert, bis ich beim Blasen nicht mehr an meine Mutter denken muss, die mir ins Ohr flüstert, dass er mich gerade erniedrigt. Dabei stimmt das doch nicht. Er bläst mir auch ständig einen.
Und irgendwann antwortet Frau Drescher auf meine Zeitfrage: »So, die Zeit ist jetzt um.«
Ich schwinge mich hoch, setze mich auf, atme einmal richtig durch, mache Anstalten, die Decke zu falten, und Frau Drescher sagt mir wie immer: »Lassen Sie ruhig. Ich mache das schon.«
Das gehört nämlich wohl zu ihrem Nächster-Patient-Ritual, die Decke falten, über den Stuhl legen, als wäre ich nie da gewesen. Hoffentlich mag sie mich so wie ich sie.
Ich verabschiede mich, überlebe wie immer die Aufzugfahrt nach unten und höre laute Musik im Auto auf dem Weg zurück zu Liza und Georg. Ich bin eine brave Mutter und Ehefrau. Ich versuche meine dreckige Psyche zu reinigen, für unsere gesunde Zukunft, als Familie, als Liebespaar.
Ich fahre die hässliche Straße entlang, nach Hause. Auf dem Stück Wiese, vor den paar Bäumen auf der Strecke, suche ich immer wie eine Wahnsinnige Häschen oder Eichhörnchen. Manchmal sind welche da. Nachts habe ich schon mal einen Fuchs gesehen. Die glücklichsten Momente in meinem Leben sind, wenn ich wilde Tiere sehe. Das sind in meinem Fall meistens ganz normale deutsche Waldtiere, weil ich ja nie weit wegfahren würde. Ich bin aus gegebenem Anlass gegen weite Reisen. Wenn ich ein Eichhörnchen sehe, bin ich noch glücklicher als nach dem Sex mit meinem Mann. Ich weiß nicht, warum wir dann eigentlich nicht eher auf dem Land leben, in der Nähe von einem Wald, wo ich die Chance hätte, mehr wilde Tiere zu entdecken. Diese starken Gefühle, die ich dann habe, wenn ich ein Reh oder ein Eichhörnchen sehe, sind überwältigend. Ich bin dann nicht mehr ich, und das ist wunderschön für mich. Die Zeit bleibt stehen, ich halte die Luft an und lächele. Ich habe, wie ein Jäger, ein ganz gutes Auge entwickelt. Ich bemerke jede Bewegung im Gebüsch. Auf der Autobahn ist ein Auge zwar auf der Straße, um das Leben meiner Familie zu
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