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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Geburtstage zu versauen, nur weil ich ständig daran denken muss, wie er mich früher, als ich ein Kind war, vergessen hat. Ja, gut, er hat nicht mich vergessen, sagen Sie immer, er hat nur meinen Geburtstag vergessen, ja, aber als Kind fühlt sich das so an, als hätte er mich, seine Tochter, komplett vergessen.«
    »Verbinden Sie denn auch noch was Gutes mit ihm?«
    »Ungern.«
    »Irgendetwas Gutes wird Ihnen doch einfallen.«
    »Ja, wenn es sein muss. Er hat meinem toten Bruder und mir Pfannekuchenbacken beigebracht. Mit allem Drum und Dran. Ein Ei pro Person, ein bisschen Sprudel in den Teig, damit er fluffig wird, hochwerfen und ganz oft nicht wieder in die Pfanne treffen. Wir haben immer auf der Arbeitsfläche gesessen und ihm bewundernd zugeguckt, das war das Leckerste für uns, seine Pfannekuchen. Typisch Scheidungskind, der Elternteil, der weg ist, ist immer das Wunder, der Elternteil, bei dem man lebt, you take it for granted . Unser Lieblingsessen war das wenige, was unser Vater kochen konnte, Pfannekuchen und Currys, nicht die tausend Gerichte der Mutter. Die viel, viel, viel besser kochen konnte. Und Currys meinte der wohl eher für die Lebensplanung, für später. Wir sollten ja nicht unser Leben lang nur Pfannekuchen essen. Er hat uns das aber mit den echten trockenen, einzelnen Gewürzen beigebracht, nicht mit so Pfuschmischungen aus dem Glas. Nein, mit Kurkuma, Koriander, Garam Masala und allem, viel zu scharf für Kinder. Der wollte uns zeigen, was für ein harter Kerl er war, fällt mir grad auf, wie bescheuert! Vor Kindern. Mit scharfem Essen angeben. Ts!«
    »Da bin ich aber froh, dass Sie was Positives über die Lippen bekommen haben. Wenn Sie beschlossen haben, jemanden loswerden zu wollen, neigen Sie nämlich dazu, nur noch das Schlechte zu sehen. Wie bei Ihrer Freundin. Als hätten Sie ein schlechtes Gewissen, dass Sie eigentlich denken, Sie dürfen nicht gehen, und dann im Nachhinein alles schlechtreden. Aber so schlecht kann es nicht sein, sonst wären Sie ja nicht befreundet.«
    »Ich sehe aber nur noch das Schlechte.«
    »Das ist Ihre Legitimation dafür, gehen zu dürfen. Sie haben Angst vor der Rache der Verlassenen, weil Sie es sich eigentlich selber nicht erlauben, sich zu trennen, ganz gleich, von wem.«
    »Ja, richtig. Dafür habe ich ja Sie. Sie helfen mir, wegzukommen von den Leuten, die schlecht für mich sind.«
    »Wenn Sie meinen. Es ist aber trotzdem interessant, dass Sie Hilfe brauchen, um Menschen zu verlassen.«
    »Ist aber so. Ohne Sie hätte ich meine Eltern nicht verlassen, noch wäre ich bald imstande dazu, endlich mal meine beste Freundin zu verlassen.«
    »Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich Sie nicht zu solchen Schritten ermutige.«
    »Ich weiß, das sagen Sie jedes Mal. Ich weiß. Ich weiß. Ich komme bei Ihnen selber drauf. Sie sagen mir natürlich nicht: ›Machen Sie das und das.‹ Morgen ist übrigens wieder eine Elizabeth-Überforderung geplant.«
    »Sie gehen wieder ins Bordell mit Ihrem Mann? Sie wissen ja, was ich davon halte.«
    »Ja, weiß ich. Aber ich komm damit besser von meiner Mutter weg, und ich komme meinem Mann viel näher. Das ist erwiesen, Frau Drescher, empirisch, Sie können mich nicht davon abbringen. Nur weil es vielleicht unter Ihren Patienten ungewöhnlich ist, solch eine Ehehygiene zu betreiben, bin ich nach wie vor sehr vom Nutzen überzeugt. Genauso wie mein Vater mir jedes Mal auf der Schulter sitzt, wenn ich Pfannekuchen für die Kinder mache. Alles muss perfekt sein, für Papa, damit er seine Tochter liebt, alles funktioniert nur über Leistung. Genauso habe ich meine Mutter auf der anderen Schulter sitzen, wenn ich meinem Mann einen blase. Sie hasst Männer. Sie hasst Schwänze. Als ich ein Kind war, hat sie mir ständig erzählt, dass Männer nur zum Kinderzeugen gut sind, sie hatte jedenfalls null Spaß an Sex. Von ihr habe ich das schon mal nicht gelernt, leider. In dieser Hinsicht gehe ich auf jeden Fall fremd, wenn ich mit Georg ins Bordell gehe, morgen. Bei dem Gedanken daran kriege ich aber auch direkt Durchfall.«
    »Wollen Sie gehen? Ich warte gerne.«
    »Nein, nein, danke. Sie wissen doch. Ich kann nicht woanders als zu Hause groß.«
    »Da müssen wir aber noch mal dran arbeiten, Frau Kiehl. Eigentlich müssten Sie ja wissen, dass es nicht schlimm ist, wenn Sie hier bei mir die Toilette benutzen, es ist menschlich, wissen Sie, Gerüche zu hinterlassen.«
    »Ja, ja, dann will ich eben nicht menschlich sein. Nicht

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