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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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ihm, dass ich wirklich keine Lust habe. Wenn er aber nicht lockerlässt und die richtigen Knöpfe drückt, die alle im Schritt liegen, dann geh ich ab, scheißegal, ob ich vorher wollte oder nicht. Dann will ich alles. Aber vorher immer schön wehren. Ziemlich anstrengend für meinen Mann. Er würde gerne auch mal von mir verführt werden. Geht aber nicht. Ich bin die Hürdenbauerin.
    Das Gleiche mache ich bei jedem unserer Puffbesuche: Ich wehre mich. Und sobald ich da bin, ficke ich auf meine Mutter und bin glücklich mitten in dieser Orgie. Darf man bei drei Leuten schon Orgie sagen? Als wir angefangen haben, in den Puff zu gehen, hatte ich große Probleme mit Eifersucht. Es gab Bilder, die sich in mein Hirn eingebrannt haben und die ich nur schwer loswurde. Die lösten immer wieder im Kopf Eifersuchtsattacken aus. Bilder, wo mein Mann ganz lange und intensiv eine fremde Frau mit Zunge küsste. Ja, ich denk seit Pretty Woman, die küssen nicht, die bumsen nur. Von wegen! Und wie die küssen. Ohne Ende. Und wie mein Mann total lange eine andere Frau leckt, komm mal damit klar am Anfang! Und dann gewöhnt man sich irgendwann daran und merkt, dass es de facto gar keine, oder sagen wir: kaum eine Gefahr gibt. Eigentlich gar keine! Wir waren schon bei achtzehn Frauen. Ich habe mir alle Namen notiert. Und Notizen gemacht, wie es war. Damit ich das nicht vergesse. Grace, Amanda, Dina, Lumi, Lotus, Vanessa, Vivienne, Olga, Tina, Michelle, Melissa, Samara, Nesrin, Mira, Samantha, Jule, Ira, Diamond. Als wir Vivienne im Internet ausgesucht hatten und bei ihr reinkamen, stellte sie sich an der Tür aus Versehen als Vicky vor. Sie lachte und sagte schnell: »Vivienne, mein ich.« Sie arbeiten natürlich alle mit falschem Namen.
    Am Anfang, bei den ersten Frauen, habe ich viel zu viel getrunken, weil ich so aufgeregt war, ich konnte mich nachher kaum an was erinnern und habe manchmal peinlicherweise während des Akts, der ja auch sehr teuer ist für ein Paar, Eifersuchtsanfälle bekommen, bis wir abbrechen mussten. Was vor allem für meinen Mann peinlich war, das dauert natürlich, bis die Erektion weggeht und man sich angezogen hat und dann mit schlechter Laune vor dem Puff steht am helllichten Tag. Das hat der sich anders vorgestellt. Ich aber auch.
    Es hat sich für mich gelohnt, am Ball zu bleiben. Wir haben es immer wieder versucht. Ich vor allem für meinen Mann, als Geschenk, als Liebesbeweis. Die wenigsten glauben noch an Gott oder gehen in die Kirche, zum Glück, aber aus irgendeinem bescheuerten Grund glauben wir immer noch fest daran, oder hoffen es zumindest, dass Monogamie funktionieren kann. Ich habe die ersten Jahre solche Angst gehabt, meinen Mann zu verlieren, dass ich ein schreckliches Gefängnis um ihn herum aufgebaut habe. Ich habe ihm ständig unterstellt, dass er fremdgeht, mit jeder möglichen Frau in unserer Nähe. Freundinnen von uns, Kolleginnen von ihm, fremden Frauen auf der Straße, alles. Ich war wie in einem Wahn, ihm nachweisen zu wollen, dass er mich eigentlich gar nicht meint, sondern ständig wegwill, fremdbumst und sich fremdverliebt. Meine Therapeutin sagt, ich bekämpfe die Fremdgehlust in mir bei meinem Mann. Ich bekämpfe etwas bei ihm, was eigentlich nur bei mir vorhanden ist. Das sagt sie so, schon seit Jahren. Rational kann ich ihr folgen. Aha. Aber es kommt emotional nicht an. Das ist die Aufgabe der Therapie. Durch ständiges Drüberreden kommt es irgendwann auch in den Gedärmen an. Und plötzlich fühlt man sich befreit, ein Schalter ist umgelegt, als hätte die Therapeutin einen dicken Tumor rausoperiert. Man ist plötzlich frei davon, das Problem ist nicht nur rational erkannt, sondern auch emotional, und plötzlich ist es weg. Dafür liebe ich meine Therapeutin über alles und für immer! Sie befreit meinen Mann und mich von massiven lebensversauenden Problemen.
    Ich habe das mit den Prostituierten so lange gemacht, bis alles gut war. Erst habe ich nur rational verstanden, dass sie mir den Mann nicht wegnehmen wollen und werden. Nach und nach habe ich es dann auch in den Gedärmen kapiert. Und jetzt bin ich frei. Wenigstens in dem Punkt. Die Eifersucht ist wie weggeblasen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die blasen mich ja auch, zwar nicht so gut wie mein Mann, aber immerhin. Durch mehrmaliges Ausprobieren haben sie für mich jeden Schrecken verloren, ich habe an mir gearbeitet, und wie! Und jetzt schicke ich ihn sogar ohne mich hin. Ich bin mir sicher, dass man das Prinzip auf

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