Schossgebete
Hatte immer chronische Unterversorgung. Und Sex mit Mädchen und Frauen, die er eigentlich ekelhaft fand, weil die Guten nicht wollten. So einen Sex, wo man fickt und danach schnell wegwill. Das kenne ich alles nicht. Ich bin so groß geworden, dass ich immer mit dem gefickt habe, mit dem ich wollte. Ich war verliebt, stand auf jemanden und habe dann mit ihm auch Sex gehabt. Niemals habe ich jemanden zwischen meinen Schenkeln gehabt, den ich nicht mindestens unglaublich geil fand. Niemals habe ich mich nach Sex geekelt, niemals hatte ich ein schlechtes Gewissen, niemals wollte ich danach jemanden loswerden. Niemals. Ich konnte immer sehr stolz sein auf alles, was da passiert ist, man konnte jeden Sexpartner herzeigen. Wie sollen zwei so unterschiedliche Sexsozialisationen zusammenpassen? Ich take it for granted . Das geht gar nicht anders. Für ihn ist es immer noch ein Wunder, dass jemand freiwillig für ihn Sexwäsche anzieht und mit ihm schläft, sich vollkommen vor ihm ausbreitet, mit beiden Händen die Schamlippen auseinanderspreizt, bis fast die Schleimhäute reißen, damit er lecken darf. Alles in unserem Leben ist ein Deal. So ist das einfach. Bis jetzt habe ich sehr davon profitiert. Aber jetzt will ich nicht mehr. Ich will frei sein! Oder zumindest freier. Und wenn man mehr Freiheit will, muss man dafür kämpfen. Und diskutieren und reden, wenn es sein muss die ganze Nacht. Ich atme mich mit meinem ewig gleichen Trick in den Schlaf. Gute Nacht, du Riss über mir, mein Damoklesschwert.
Donnerstag
Wir schlafen aus. Das bedeutet bei meinem Mann bis neun Uhr, bei mir bis nach elf. Ich stehe auf, gehe erst nach oben in die Küche, wie immer, und mache ihm und mir einen Kaffee. Es ist immer sein zweiter, weil er sich den ersten schon selber gemacht hat. Jeden Morgen ist es mein Ziel, ihm einen besseren zu machen, als seiner es war, klappt aber meistens nicht. Kaffee machen ist schwerer als blasen! Georg macht im Wohnzimmer sein Tai-Chi-Programm, ich stell ihm die Tasse auf den Boden. Ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, beim Tai Chi Kaffee zu trinken. Keine Ahnung. Agnetha sagt, das ist seine Entscheidung, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass Kaffee und Tai Chi das Gegenteil voneinander sind! Sie sagt, mein geliebter Mann darf mit seinem Kaffee machen, was er will. Von mir aus.
Ich gehe mit meiner Tasse runter, ins Badezimmer. Ich muss mich für die Prostituierte rasieren. Nicht für meinen Mann, die Zeiten sind vorbei, der ist da nicht so streng wie früher, am Anfang unserer Liebe.
Im Badezimmer gucke ich mir beim Rasieren zwischendurch meine grau werdenden Schläfen an. Ich bin da richtig stolz drauf. Darf man »stolz« sagen, wenn man das nicht selber gemacht hat? Ja, dann sage ich eben, dass ich sie wunderschön finde, meine grauen Haare.
Mein Mann will zwar, dass ich mich für ihn rasiere, wenn ich es aber wochen- oder monatelang nicht mache, weil es zum Beispiel Winter ist und ich mich nicht aufraffen kann, stört ihn das auch nicht, er ist ein guter Mann, ein lockerer Mann. Der beste Mann. Und er weiß von seiner eigenen Intimrasur, wie anstrengend das ist, sich überall, wo man nicht hinsehen kann, zu rasieren, nur für den einen geilen Pornofilmauftritt vor dem Partner. Für die große Freude, wenn er mich auszieht und diese frisch rasierte Pflaume vor ihm liegt, mit halbwegs verschlossenen Schamlippen. Meine inneren sind ebenso ausgeprägt, die lugen dann doch immer vor und meine Klitoris manchmal auch. Aber: Niemals würde ich das operieren, wie es übrigens grad Mode ist, das merkt man schon an dem Wort Mode, dass es keine gute Idee ist, sich der Mode nach operieren zu lassen, egal, ob Brüste oder raushängende Schamlippen.
Meine frisch rasierten Schamlippen sind so weich, dass man es mit nichts vergleichen kann, ich fummel da selber immer dran rum, direkt nach der Rasur, diese Farbe, das Gräulich-rosa-Lilafarbene, macht sogar mich an. Georg flippt dabei vollkommen aus. Ist aber auch kein Grund, ständig drauf zu achten, dass ich allzeit bereit vollrasiert bin. Keine Lust. Er rasiert sich für mich auch, aber eben nicht andauernd. Ihn nervt das Nachwachsen der Haare schon am nächsten Tag, er fummelt dann sogar auf der Straße an seinem Sack rum, dass ich mich für ihn schäme, total, weil ich ja gut erzogen wurde und mich immer so benehme, als würde ich beobachtet.
Ich sehe noch einmal in den Spiegel. Ich respektiere Menschen mit grauen Haaren sehr viel mehr als Menschen mit
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