Schottische Ballade
„Verdammt, ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Vater erklärte sehr bestimmt, ich solle mich dem Earl widersetzen.“ Wenn Lion etwas gelernt hatte in der Zeit, als er von Schottland fort war, so war es das Wissen, wann man angreifen musste und wann sich zurückziehen. „Welchen Schaden kann es bedeuten, ein oder zwei Tage zu warten, ehe du Aedhs Nachricht überbringst?“ fragte er. „Gib vor, unentschlossen zu sein. Lass Alexander um dich buhlen, mit seinem Ale, seinen Speisen und seinen Versprechen. Doch wenn er eine Bindung verlangt, ziere dich wie eine Jungfrau vor der Hochzeitsnacht. Inzwischen sperr deine Ohren auf. Die Frasers, MacDonalds und Keiths haben sich dem Earl angeschlossen, denken jedoch wie ich. Die Cummings, Chisholms und MacPhersons sind ganz auf Alexanders Seite. Die Shaws von Blantyre sitzen dazwischen. Viele von ihnen mögen den Earl nicht, doch er hat Lady Glenda verführt, damit sie ihm Blantyre Castle als Hauptquartier für seine Schachzüge überlässt.“
„Doch Glenda ist dürr und hausbacken ..."
„Er nutzt sie aus, und das arme Ding glaubt sich geliebt. Vergeht sich in Liebe. Ich fürchte, Glenda würde alles tun, jeden opfern, um Alexander zu halten.“
„Ich werde mich an alles erinnern, was du sagtest.“ Robbie seufzte und erhob sich von dem Felsen. „Und ich werde deinem Rat folgen ... zumindest bis ich sehe, wie die Dinge stehen auf Blantyre. Aedh hatte immer die Meinung deines Vaters hoch geschätzt. Er würde nicht wollen, dass ich diese Warnung von der Hand weise. Doch kann ich nicht versprechen, dass ich dem Earl den Treueid leisten werde.“
„Deine Vorsicht spricht für dich.“ Lion klopfte dem Jungen auf die Schulter, erfreut darüber, wie sich die Dinge entwickelt hatten. „Ich werde vorausreiten, wenn es dir nichts ausmacht, ein wenig auf dem Weg dahinzuschleichen. Es wäre nicht gut für uns, wenn wir zusammen ankommen, oder auch nur zu freundlich zueinander erscheinen. Alexander ist ohnehin schon misstrauisch genug, sucht in jeder Rede eine verborgene Bedeutung und sieht Meuchelmörder in jeder dunklen Ecke lauern.“
„Vielleicht haben wir Glück, und jemand tötet ihn.“
„Es wäre nur dann ein Glück, wenn dieser Jemand Georas MacPherson wäre, denn dann wären gleich zwei verrückte Wölfe erlegt.“
5. KAPITEL
Wie schön sie ist, dachte Lion, als er auf die schlafende Rowena hinabblickte.
Die Sonne stieg gerade empor und er hatte bis jetzt noch keine Zeit gehabt, sein eigenes Bett aufzusuchen. Seine Augen fielen ihm vor Müdigkeit fast zu, seine Sinne waren zum Zerreißen angespannt, doch das Bedürfnis, sie zu sehen, war stärker gewesen.
Die Strahlen des blassen Morgenlichts fielen durch das enge Fenster und schimmerten gülden auf ihrem Haar, ließen ihre Haut wie zartes Morgenrot leuchten. Sie lag auf der Seite, eine Hand unter das Kinn geschoben, ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen.
Verlangen überkam ihn. Er rang nach Atem und sog den berauschenden Duft Rowenas ein. Es verlangte ihn, sich neben sie zu legen, ihren Körper an den seinen zu pressen. Er kannte Leidenschaft und Erfüllung, doch niemals hatte ihn der Drang nach einem Weib so ungestüm erfasst.
Weil sie nicht irgendein Mädchen war. Sie war Rowena. Seine Liebe. Seine Lady.
Er wollte sie berühren, seine Hand bebte leicht, dann hielt er inne. Ein sanftes Stöhnen drang aus seiner Kehle.
Sie regte sich. Ihre Wimpern hoben sich langsam. Erkennen funkelte in den blauen Tiefen ihrer Augen. Sie begann zu lächeln, das sanfte, wonnige Lächeln, das so oft in jenen Sommermonaten, die sie gemeinsam verbracht hatten, ihren Mund umspielt hatte.
„Rowena.“ Er berührte ihr Haar und brach den Zauber.
„Du! “ Sie schrak zurück, die Augen vor Entsetzen aufgerissen.
„Es ist alles gut, Rowena“, sagte Lion sanft. „Ich...
„Gut? Wie kann das sein? Was machst du hier?“ Rowena setzte sich errötend auf. Aufgeregt suchte sie nach einem Fluchtweg. „Was machst du hier?“ fragte sie erneut.
„Ich warte lediglich darauf, dass du erwachst.“ Lion lächelte und setzte sich an den Rand des Bettes. „Ich habe Sim nach unten geschickt, dir dein Morgenmahl zu holen. Willst du es mit mir teilen, Rowena?“
Ihr Blick verdüsterte sich, so dass ihre Augen fast schwarz wirkten - die Augen, die so sanft blicken konnten, wenn sie ihm sagte, dass sie ihn liebte, blitzten nun vor Zorn. „Ich würde eher mit einer Natter speisen. Verlass sofort mein Bett und
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