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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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Sie waren doch Tag und Nacht hier unterwegs.«
    »Ich habe mich nur um meinen Vogel gekümmert, und wenn ich mal müde war, habe ich ein paar Stunden in Nairn geschlafen, da hat die Station ein Zimmer für mich reserviert.«
    »Werden Sie bleiben?«
    »Natürlich, ich fahre doch nicht ohne den Goldadler zurück.«
    »Mit dem Motorrad? Und wie transportieren Sie ihn?«
    »Sehen Sie hinten den Gepäckbehälter mit den Luftlöchern, da ist ein großer Korb drin, das geht sehr gut. Er ist ja nicht der erste Vogel, den wir zurückholen müssen.«
    Ryan sah, dass die Männer Bob langsam über den Rand der Klippe hoben.
    »Ich muss mich um die Leute kümmern. Viel Erfolg beim Vogelfang und passen Sie auf sich auf, noch läuft der Schafsmörder frei herum, und er ist bewaffnet.«
    »Ich werde vorsichtig sein, danke. Und hoffentlich kommt Ihr Mann bald wieder auf die Beine.«
    Ryan sah ihr nach. Irgendwann würde er die resolute Dame in ihrem Vogelnest kontrollieren, das stand fest. Während Karen Brendan zum Motorrad ging und dann abfuhr, lief er zu den Bauern, die den Verletzten vorsichtig auf ein paar Decken betteten. Wenig später hörte man die Sirene eines Rettungswagens, und dann wurde Bob fortgebracht, begleitet von einem Freund, der im Hospital von Inverness die Untersuchungen abwarten wollte.
    Am gleichen Nachmittag fand man den Schafsmörder. Er lag zusammengerollt und total betrunken in einem Weideschuppen und schlief, als ein Hund ihn aufstöberte. Es war einer von Bobs Schafhirten, den er wegen ständiger Trunkenheit ein Jahr zuvor herausgeworfen hatte. Wie sich später bei den polizeilichen Ermittlungen herausstellte, hatte er versucht, in einer Werft in Inverness Fuß zu fassen, wurde aber auch dort aus demselben Grund entlassen. Dann erinnerte er sich an Bob und die so genannte Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren war. Er kannte sich in der Gegend bestens aus, hatte mehrmals im Winter in Ryans verschlossenem Haus gewohnt, ohne dass es jemand bemerkt hatte, und wollte sich nun an allen rächen.

VI
    Andrea flog Montagmorgen nach London und von dort weiter nach Edinburgh. Sie hatte Peter nur schwer daran hindern können, sie zu begleiten. Zu gern hätte er ein paar Urlaubstage mit ihr verbracht, und Schottland im August wäre ihm recht gewesen. Aber Andrea wollte allein fliegen. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, unabhängig von Studiochef und Freund unterwegs zu sein. Schließlich versprach sie sich wildromantische Ausflüge zu zerklüfteten Klippen und gespenstischen Burgruinen, zum weltbekannten Whisky-Trail mit nicht kritisierten, unkontrollierten Probeschlückchen, zum Loch-Ness-Phantom und zu kilttragenden Dudelsackpfeifern. Sie wollte den Caledonian Canal sehen und die Highlandspiele in Inverness. Sie wollte ganz einfach die karierte Welt der Schotten kennen lernen und ungestört gute Fotos machen.
    Am Wochenende hatte sich Andrea schnell, aber gründlich vorbereitet. Stundenlang hatte sie im Internet nach Informationen gesucht und sich später Reiseführer und Veranstaltungskalender in der internationalen Buchhandlung am Hauptbahnhof besorgt. Sie kam so selten heraus, weil sie kein Geld für interessante Reisen hatte, und dabei träumte sie doch ständig von den verborgenen Wundern der Welt, die es für sie zu entdecken galt. Endlich war es so weit, ein Traum ging in Erfüllung: Man hatte ihr in dem Vertrag erlaubt zu fotografieren, was sie wollte, nur sollte alles auf den Fotos vorkommen, was Schottland liebenswert machte.
    Sie sah Mark sofort, als sie in die Ankunftshalle kam, in der einen Hand den Koffer, in der anderen die Fototaschen. Er winkte fröhlich mit einem sommerbunten Blumenstrauß und umarmte Andrea herzlich, was bei seiner kleinen Gestalt und Andreas Größe nicht so ganz einfach war. Lachend, denn er wusste genau, dass sie ein seltsames Paar abgaben, holte er einen Gepäckkarren und dirigierte Andrea zum Parkdeck.
    »Ich bin so froh, dass Sie da sind. Mein Vater hatte mir fürchterliche Strafen angedroht, wenn Sie nicht gekommen wären. Er hat das ganze Buchprojekt um vier Wochen verschoben. Jetzt sitzt ihm die Zeit im Nacken.«
    »Warum sollte ich nicht kommen? Verträge werden bei uns ernst genommen.«
    »Das wusste ich, aber er nicht.«
    Vorsichtig fuhr er den Wagen aus der Parklücke, durch die langen Reihen abgestellter Autos und dann auf die Schnellstraße in Richtung Zentrum.
    »Ich habe ein Hotel in der Nähe der Innenstadt für Sie ausgesucht. Es liegt sehr günstig für die

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