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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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einmal den Kopf, als könnte er den Aufmarsch von so vielen bewaffneten Männern nicht begreifen. Dann löste er den Kinnriemen seines Helmes und nahm das schwere Ding ab. Gleichzeitig ergoss sich eine Fülle weißblonder Locken bis auf die Schultern der schwarzen Gestalt. Verblüfft sahen die Männer, dass sie eine Frau, eine sehr hübsche Frau, vor sich hatten. Die Waffen wurden heruntergenommen, und Ryan ging auf sie zu, während sie lachend rief. »Ist das eine Treibjagd? Bin ich etwa die Beute?«
    »So ist es. Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?«
    »Erst einmal versuche ich, da unten einen Mann zu retten, und wenn Sie mir dabei helfen, erzähle ich später, wer ich bin.«
    Ryan winkte die Männer heran. »Los, schnell, da unten gibt es einen Notfall.«
    Er rannte zum Abbruch und sah hinunter, andere folgten ihm. Ein paar blieben in der Nähe der Frau stehen, nicht sicher, was mit ihr passieren sollte.
    Ryan legte sich an den Rand und sah hinunter. Etwa in halber Höhe zum Meer lag Bob auf einem kleinen Plateau, von dem er jeden Augenblick abzurutschen drohte. Er hatte ein Seil um den Brustkorb gebunden, und dieses Seil war an der Anhängerkupplung seines Wagens befestigt. Der Mann war bewusstlos, und Ryan konnte nicht feststellen, ob er überhaupt noch lebte. Sofort begannen einige Männer mit den Rettungsversuchen. Sie fuhren mit ihren Wagen bis an den Rand des Kliffs, legten sich Seile um und kletterten in die Tiefe, um an den Verletzten heranzukommen. Andere riefen über Funk die Polizei in Forres an und baten um ein Rettungsfahrzeug. Ryan drehte sich zu der Frau um und betrachtete sie. Stark sah sie nicht aus, aber wachsam und energisch.
    »Was hat das zu bedeuten? Ich bin Ryan McGregor, und wer sind Sie?«
    »Also, ich war da unten in den Klippen, als dieser Mann plötzlich über den Rand kletterte, das Seil zur Sicherung um den Körper gebunden, und dann abrutschte. Er ist sehr böse gestürzt und ein paar Mal mit dem Kopf aufgeschlagen, bis er kopfüber hängen blieb, weil das Seil nicht mehr nachgab. Ich bin zu ihm geklettert. Er hing ziemlich verdreht in seinem Seil und war bewusstlos. Ich habe ihn dann auf das kleine Plateau gezogen und bin nach oben geklettert, um Hilfe zu holen. Den Rest kennen Sie ja.«
    »Und wann ist das alles passiert?«
    »Etwa vor einer Stunde, es wurde gerade hell. Aber der Typ ist mir schon die ganze Nacht hinterhergefahren. Wer ist das? Ich hatte richtig Angst. Es ist nicht sehr angenehm, wenn man stundenlang verfolgt wird.«
    »Und warum sind Sie hier unterwegs? Wir beobachten Sie schon seit Tagen. Was machen Sie hier?«
    »Ich bin Karen Brendan, und ich bin von der Adlerstation in Hill of Fearn. Mir ist vor einer Woche mein einziger Golden Eagle weggeflogen. Seitdem suche ich ihn.«
    »Hier bei uns? Und das soll ich Ihnen glauben?«
    »Weshalb nicht? Der Vogel hat einen Sender um den Hals, und die Signale kommen genau aus diesem Gebiet. Hier, hören Sie.«
    Sie zog einen kleinen Apparat aus der Gürteltasche und hielt ihn Ryan hin. Er konnte ein leises Summen vernehmen, immer wieder unterbrochen von atmosphärischen Störungen.
    »Und damit wollen Sie ihn finden?«
    »Ja, wenn ich so nah an ihn herankomme, dass ich ihn rufen kann, kommt er zurück. Er ist handzahm, und er kennt mich, ich habe ihn aufgezogen.«
    »Und weshalb ist er dann weg?«
    »Das passiert leider immer wieder. Wenn ein Weibchen in der Nähe ist, zum Beispiel. Aber er ist noch nicht so weit, dass er allein hinauskann. Wir werden ihn auswildern, aber vorher muss er noch lernen zu jagen, sonst stirbt er und wird zur Beute anderer Greifvögel.«
    »Und was haben Sie da unten in den Klippen gemacht?«
    »Ich hatte ihn fast. Er saß auf einer Felsenspitze nur wenige Meter von mir entfernt und war im Begriff, auf meine Hand zu fliegen, als dieser Mann laut brüllend über den Rand kletterte. Und jetzt darf ich wohl eine Erklärung erwarten. Schließlich steht man nicht jeden Tag vor zehn Gewehren, die auf einen gerichtet sind, und blickt in die mordlustigen Augen der Schützen.«
    »Wir suchen seit drei Tagen einen Mann, der unsere Schafe bestialisch tötet und dann liegen lässt. Einen Hund hat er auch schon umgebracht. Er ist bei mir eingestiegen und hat sich bestens bewaffnet, und die Männer haben Angst um Frauen und Kinder.«
    »Mein Gott, wie furchtbar! Und ihr habt gedacht, ich wäre das.«
    »Sie sind die einzige Fremde, die wir hier beobachteten.«
    »Verstehe.«
    »Ist Ihnen nichts aufgefallen?

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