Schottische Disteln
Einschränkung.«
»Mit Einschränkung?«
»Sie werden mir erlauben müssen, auch an morgen und übermorgen und weiter zu denken.«
»Nun gut, dann denken Sie. Jetzt rufen Sie aber bitte erst einmal die Hunde, damit ich aussteigen kann.«
Ryan stieg aus und beruhigte die Hunde. »Kommen Sie, es passiert Ihnen nichts.«
Andrea stieg langsam aus, hielt ganz ruhig den Hunden die Hände hin, damit sie ihren Geruch aufnehmen konnten, und kraulte sie dann vorsichtig hinter den Ohren. Ajax und Bella zögerten ein Weilchen, dann stupsten sie Andrea mit den Nasen, tapsten mit den Pfoten nach ihr, rieben die Köpfe an ihrem Schoß und wedelten mit den Ruten.
»Alles erledigt«, lachte Ryan, »Sie sind akzeptiert. Nun kommen Sie, damit ich Ihnen mein Zuhause zeigen kann.«
Andrea sah sich um, bevor sie ihm folgte. »Das also ist Ihre Herde.«
»Es ist ein Teil davon. Meine eigentliche Herde steht im Tiefland, aber mit diesen zweihundert Tieren bin ich in jedem Sommer hier, weil die Hügel abgeweidet werden müssen. Es ist sozusagen meine Ferienzeit.«
»Wie groß ist Ihre Herde denn alles in allem?«
»Ich weiß es nicht genau, vielleicht zweitausend Schafe.«
»Sie wissen es nicht genau?«
»Jedes Jahr kommen neue Lämmer dazu, Schafe werden verkauft oder geschlachtet, das wechselt ständig.«
»Und das sind alles Ihre Tiere?«
Ryan zögerte mit der Antwort. Sagte er die Wahrheit, war seine Tarnung sehr schnell aufgeflogen, aber sollte er die Frau belügen? Das wollte er so gut es ging vermeiden.
»Sie gehören einem Werftbesitzer in Aberdeen.«
»Ach so, und Sie haben die Verantwortung.«
»Ja.«
»Und wer kümmert sich um die anderen Schafe, während Sie hier sind?«
»Da gibt es Gehilfen, die ihre Arbeit sehr gut machen.«
Andrea nickte und folgte ihm in das Haus. Begeistert blieb sie an der Tür stehen. »Das ist ja bezaubernd hier. Wer hat das eingerichtet?«
»Ich selbst, warum?«
»Diese Wohnhalle hat Stil, die gefällt mir. Hier kann man sich wohl fühlen. Im Winter, bei Eis und Schnee, muss das wunderbar sein.«
»Auch jetzt im Sommer ist es schön, Sie werden sehen.«
Ryan nahm einen Klapptisch und stellte ihn draußen vor die Bank. »Kommen Sie, ich möchte, dass Sie es ganz bequem haben. Hier in der Sonne ist es am schönsten. Was möchten Sie trinken?«
»Im Augenblick nichts, danke. Setzen Sie sich zu mir, und erzählen Sie von Ihren Problemen, ich denke, wir sollten darüber reden.«
Ryan fand diese Idee gar nicht gut. Er hatte Angst, sich in Widersprüche und Lügen zu verstricken. Andererseits fand er es wunderbar, dass es da eine Frau gab, die sich mit seinen Problemen belasten wollte.
Andrea sah ihn an. »Also, erst einmal zu der Frau, die da zweimal unerwartet aufgetaucht ist. Wer kennt sie? Gibt es diese Vogelwarte wirklich? Und wenn ja, gibt es diese Frau in dieser Vogelwarte, und wer kennt sie dort?«
»Ich muss alles mit einem Fragezeichen beantworten. Den Bauern hier war sie fremd, und nach der Vogelwarte hat sich keiner erkundigt. Wissen Sie, hier gibt es ja nicht einmal ein Telefon im Dorf. Ich kann in diesen Dingen auch nicht den Bauern vorgreifen. Sie sind es, die immer hier leben und mit solchen Dingen fertig werden müssen. Ich bin ja nur ein Gast. Sie akzeptieren mich zwar, und sie mögen mich auch, aber richtig dazu gehöre ich nicht. Deshalb muss ich sehr diplomatisch sein.«
»Dann sollten Sie Ihre Sorgen mit den Bauern teilen.«
»Es ist ja erst in diesen Stunden passiert.«
»Vielleicht will man Ihnen einen Schrecken einjagen?«
»Aber wer, und weshalb?«
»Haben Sie Feinde? Sind Sie irgendjemandem auf die Füße getreten?«
»Höchstens dieser Frau gestern Abend. Wissen Sie, ich bemühe mich, ein höflicher Mensch zu sein. So schnell trete ich keinem auf den Füßen herum.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Aber Sie kennen mich doch kaum?«
»Ich habe Sie als Gentleman kennen gelernt, und ich besitze auch ein gewisses Maß an Menschenkenntnis.«
»Danke.«
»Etwas allerdings beunruhigt mich. Machen Sie das öfter?«
»Was?«
»Sie haben die Bauern hier belogen.«
»Womit?«
»Mit dem Verkauf von ihrem Krempel. Wenn das herauskommt, glaubt man Ihnen auch in anderen Dingen nicht mehr.«
»Ich habe sie nicht belogen. Ich will ihnen helfen und biege die Dinge nur ein wenig zurecht.«
Andrea sah ihn an. »Da haben Sie aber eine rücksichtsvolle Ausdrucksweise gefunden: ›Ich biege zurecht!‹ Sie haben nichts verkauft und wollen so tun, als hätten Sie
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