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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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Scheune mit Heu für Zeiten, in denen die Flächen hier weiß waren und die Schafe Zusatzfutter brauchten. Es war ein schönes Land, das seit Jahrhunderten seiner Familie gehörte, ein Land, von dem man ihn verdrängen wollte. Aber das würde niemandem gelingen. Jetzt musste er gehen, weil er in Aberdeen gebraucht wurde, aber er würde wiederkommen. Wer Ryan, den Schäfer, vertreiben wollte, der würde Ryan McGregor kennnen lernen.
    Als er in Tradespark ankam, sah er sofort, dass Andreas Wagen nicht vor dem Gasthof geparkt war. Er ging hinein und erkundigte sich bei der Wirtin. Aber sie zuckte nur mit den Schultern.
    »Miss Steinberg hat nicht gesagt, wann sie zurück sein würde. Sie wollte nur das Zimmer für eine weitere Nacht behalten.«
    »Danke, bringen Sie mir bitte etwas zu essen, ich werde warten.«
    »Was darf es sein? Ich habe ein gutes Lammragout, Sie können aber auch frittierte Hühnerkeulen mit Reis haben.«
    »Bringen Sie mir das Ragout und eine Kanne mit starkem Tee.«
    Ryan setzte sich so, dass er die Straße und die Haustür im Blick hatte. Nur selten fuhr ein Auto vorbei, und der Wagen von Andrea war nicht dabei.
    »Könnte ich bitte telefonieren?«
    »Natürlich, der Apparat hängt da drüben an der Wand.«
    Ryan zog den Zettel mit Andreas Nummer aus der Brieftasche. Nur gut, dass er sich gestern die Nummer aufgeschrieben hatte, als er ihr Autotelefon benutzen durfte.
    Er ließ es lange klingeln, aber es meldete sich niemand. Ryan war beunruhigt. Sie musste längst auf dem Rückweg sein und das Klingeln hören. Wo steckte sie, es wurde langsam dunkel, und zum Fotografieren war das Licht schon lange nicht mehr ausreichend. Langsam leerte sich die Gaststube, die wenigen Besucher fuhren heim. Ryan hatte mehr als vier Stunden gewartet. Er bat die Wirtin um einen Bogen Papier und einen Umschlag.
    »Ich werde eine Nachricht hinterlassen, bitte übergeben Sie sie an Miss Steinberg, wenn sie zurückkommt.«
    »Selbstverständlich.«
    Er überlegte, was er schreiben sollte, denn er war überzeugt, dass die Wirtin die Nachricht lesen würde, sobald er fort war. So schrieb er nur: »Andrea, bitte ruf mich an, ich bin ab morgen früh Tag und Nacht unter folgendem Anschluss zu erreichen ...«, dann notierte er die Nummer seines Handys, das er ab morgen immer bei sich tragen würde, unterschrieb mit »Ryan«, verschloss den Umschlag und übergab ihn der Wirtin.
    Es war fast Mitternacht, als er die Rechnung bezahlte und zu seinem Wagen ging. Er wendete und fuhr nach Osten davon, weg von Andrea, mit jedem Kilometer weiter weg. Wäre er noch Ryan, der Schäfer, wäre er nach Westen gefahren, dahin, wo Andrea sein musste, irgendwo in den Weiten von Wester Ross. Aber er war nicht mehr der Schäfer, er war McGregor, der Chef eines Imperiums, und musste seine Pflichten erfüllen, und die begannen auf dieser Straße, die ihn weg von Andrea nach Osten führte. Und er ahnte nicht, wie sehr sie ihn in diesem Augenblick gebraucht hätte.

XIII
    Andrea war früh aufgewacht. Es zog sie nach Westen in das Land der Einsamkeit. Sie wollte die tief stehende Morgensonne für Landschaftsaufnahmen nutzen, mittags in den schattigen Inverewe Gardens arbeiten und auf dem Rückweg einige berühmte Ruinen besichtigen.
    Verschlafen und im Morgenmantel kam die Wirtin herunter, als sie Schritte auf der Treppe hörte.
    »Ich wollte Sie nicht wecken. Ich möchte mich einfach still davonschleichen und unterwegs frühstücken«, entschuldigte sich Andrea für die Störung in der Dämmerung.
    »Kommt gar nicht infrage. Sie sind mein Gast, und Sie bekommen ein gutes Frühstück vor der Abfahrt. Setzen Sie sich, in fünf Minuten steht alles auf dem Tisch. Möchten Sie Tee oder Kaffee?«
    »Lieber einen starken Tee, danke.«
    Andrea sah sich in der jetzt leeren Gaststube um. Immer war sie schnell hindurchgelaufen, weil der Raum voller Männer, voller Tabakqualm und Bierdunst war. Jetzt betrachtete sie die Wirtsstube mit mehr Aufmerksamkeit, immerhin war der Pub das Zentrum des kleinen Straßendorfes, eine Art Sammelstelle für Informationen, und sie konnte verstehen, dass er abends überfüllt war.
    Trotz der frühen Stunde war der Raum bereits gereinigt, und von den gebohnerten Tischplatten stieg ein leichter Duft von Lavendelwachs auf. Wer weiß, wann die Wirtin nach dem letzten Gast zur Ruhe gekommen war? Auf den blanken Holztischen standen kleine Vasen mit künstlichen Blumen, auf den Fensterbrettern schrumpften einige Grünpflanzen vor sich

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