Schottische Engel: Roman (German Edition)
war, kehrte dann den Lord heraus, und das spürten seine Leute sofort.
Ohne die Halle noch einmal zu betreten, wandte sich McClay einer im Bücherpaneel versteckten Tür zu und ging auf einer geheimen Treppe hinauf in seine Suite. Er wollte allein sein, den Ärger abspülen, sich frisch machen und umziehen, bevor er mit der jungen Frau speiste und ihr die Nachricht von der misslungenen Ersteigerung des so sehr begehrten Engels unterbreitete. ›Vielleicht will sie sofort nach Edinburgh zurückfahren, dann habe ich sie nicht einmal richtig kennengelernt‹, dachte er und stellte das Wasser in der Dusche an.
VII
Lord McClay strich seinem Gast mehrmals über den Arm, bevor Mary wach wurde. Er hatte geklopft, und als er keine Antwort bekam, hatte er das dunkle Gästezimmer betreten. Dort fand er Mary Ashton im Sessel am Fenster. Sie hatte die Rückenlehne zurückgeklappt und schlief. Erschrocken zuckte sie jetzt zusammen und starrte den Mann an ihrer Seite an. McClay trat ein paar Schritte zurück und drückte auf den Knopf einer Stehlampe, die nun gedämpftes Licht auf die beiden Menschen warf.
»Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken, aber als Sie auf mein Klopfen nicht geantwortet haben, habe ich mir erlaubt, hereinzukommen und Sie zu wecken.«
»Ja ... ach ... entschuldigen Sie. Ich habe aus dem Fenster gesehen, um Ihre Rückkehr zu beobachten, dann wurde es dunkel, und ich bin eingeschlafen. Haben Sie den Engel bekommen?«
McClay zog einen Sessel heran und setzte sich neben sie. Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Es tut mir sehr leid, aber der Engel wurde nicht versteigert. Er war schon vorher verkauft oder ersteigert worden. Die Kunden waren alle sehr empört. Es gab einen regelrechten Tumult, weil sich die Interessenten betrogen fühlten. Anscheinend waren viele nur wegen des Engels nach Dumfries gekommen.«
»Oh, mein Gott, dann bin ich meine Stellung los.« Fassungslos sah Mary den Mann an. »Wir dachten, für die alte Skulptur interessiere sich kein Mensch. Er gehört doch zu dem Engelzyklus, den wir schon besitzen, und allein ist er gar nicht besonders wertvoll.«
»Vielleicht steckt ein größeres Geschäft dahinter, als wir ahnen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Mary enttäuscht.
»Man ersteigert so eine Skulptur günstig, wartet ab, ob sich ihr Wert erhöht oder wie viele Leute sich dafür interessieren, und verkauft sie dann dem Meistbietenden. Und der handelt dann ebenso. Jeder macht seine Geschäfte, und zum Schluss ist der Gegenstand unbezahlbar«, versuchte er zu erklären Dann nahm er tröstend ihre Hand. »Sie trifft überhaupt keine Schuld. Die Auktionatoren haben einfach versäumt, die Skulptur aus dem Angebot zu nehmen. Ja, sie hätte gar nicht mehr im Katalog erscheinen dürfen.«
»Oder man hat sie dringelassen, um die Käufer für andere Objekte zu begeistern, wenn sie erst einmal in Dumfries sind.« Mary zuckte resigniert und traurig mit den Schultern.
»Kein Mensch kann Ihnen da ein Versäumnis unterstellen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich verantwortlich. Ich war so sicher, dass ich die Figur bekommen würde, dass ich auch im Museum jedem Zweifel widersprochen habe. Und nun komme ich mit leeren Händen zurück. Ist denn wenigstens das Geld noch vollständig vorhanden?«
»Selbstverständlich. Wir haben es getrocknet, jetzt liegen die Scheine in meinem Tresor. Und wenn Sie wollen, tausche ich sie gegen neue Scheine ein, es muss ja keiner sehen, dass sie ein Bad im St. Mary's Loch genommen haben«, versuchte McClay zu scherzen.
Aber Mary ging nicht darauf ein. »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt gern allein sein. Ich muss mich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, dass ich versagt habe und dass mein Chef mich entlassen wird.«
»Das verstehe ich nicht. Man kann Sie doch nicht entlassen, weil Sie etwas nicht bekommen haben, was gar nicht vorhanden war.«
»Es war der erste große Auftrag – und der ist missglückt, es gibt viele Studenten mit gerade abgeschlossenem Studium, die auf meinen Posten warten.«
»Darüber möchte ich mich ausführlich mit Ihnen unterhalten. Bitte, Hanna hat ein Abendessen für uns vorbereitet, und dann reden wir bei einem guten Glas Wein über dieses Dilemma, an dem ich nicht unbeteiligt bin.« Er reichte ihr die Hand. »Kommen Sie, ich lasse Sie jetzt nicht mit Ihren trüben Gedanken allein.«
Als Mary sich nicht rührte, nahm er ihre Hand, zog sie aus dem Sessel und hakte sich bei ihr unter. »Wir finden
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