Schottische Engel: Roman (German Edition)
eine Lösung, das verspreche ich.« Er führte sie über den Flur in seine Suite, wo Hanna einen Tisch für zwei Personen gedeckt hatte und neben dem kleinen Aufzug stand, der direkt in die Küchenräume im Souterrain führte.
»Ist es Ihnen recht, wenn ich die Speisen jetzt hochhole, Sir?«, fragte sie erwartungsvoll.
»Ja, bitte, Hanna, wir haben einen Bärenhunger.«
Hanna drückte einen Knopf neben dem Aufzug und gab durch das Klingeln Bescheid, die Speisen jetzt heraufzuschicken, füllte dampfend heiße Ochsenschwanzsuppe in die vorgewärmten Teller und servierte sie. Dann stellte sie die kalten Platten mit Wildschweinschinken, geröstetem Brot und Schafskäse auf einen Beistelltisch, schenkte Rotwein in die Gläser und wünschte: »Guten Appetit«, bevor sie die Suite verließ.
Die Suppe war köstlich. Mary hatte zwar keinen großen Appetit, freute sich aber, dass es ihrem Gastgeber schmeckte. Als er merkte, dass sie ihn lächelnd beobachtete, entschuldigte er sich. »Ich habe außer dem Frühstück heute noch nichts gegessen, und ich habe richtigen Hunger. Ich glaube, das liegt hier oben an der Luft. Außerdem ist die Köchin eine wahre Perle. Wenn man wochenlang auf Reisen ist und immer nur in Restaurants oder im Hotel das Essen einnimmt, ist so eine deftige Hausmannskost die reinste Delikatesse.« Er zeigte auf die Schinkenplatte. »Das Wildschwein habe ich im letzten Jahr geschossen, jetzt ist der Schinken genau richtig. Und der Käse stammt von unseren eigenen Schafen, und die ernähren sich von den köstlichen Kräutern der Bergwiesen. Kann man sich etwas Besseres wünschen?« David McClay spürte, dass es ihm gelang, Mary von ihrer Enttäuschung abzulenken. »Ich werde Ihnen diese Wiesen in den nächsten Tagen einmal zeigen. Wir haben schon die ersten Lämmer – glaube ich jedenfalls.«
Mary lächelte dankbar, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. »Ich werde keine Zeit für Besichtigungen und Spaziergänge haben, ich muss auf dem schnellsten Wege zurück nach Edinburgh. Wenn ich schon ohne den Engel komme, muss ich wenigstens meine Arbeitskraft wieder zur Verfügung stellen.«
»Sie können doch nicht mit diesem Pflaster am Kopf und mit Ihrem Schleudertrauma zurückfahren. Sie sind ein Rekonvaleszent, und jedem Rekonvaleszenten stehen Tage der Erholung zu. Ich bin Arbeitgeber und ich weiß, wie die Bestimmungen sind.«
»Arbeitgeber haben damit vielleicht ihre Probleme, Arbeitnehmer aber auch. Ich bin ersetzbar, das ist mein Problem.«
»Was genau machen Sie in diesem Museum?«
»Ich bin Kunsthistorikerin, ich untersuche Antiquitäten und stelle Expertisen aus. Kunstsammler kommen zu uns und hoffen, dass ich ihnen Echtheitszertifikate ausstelle. Manchmal kann ich das, manchmal nicht. Dann sind die Sammler wütend, und das Museum gibt mir die Schuld, was natürlich Unsinn ist, und eigentlich wissen das meine Vorgesetzten auch.«
»Das ist tatsächlich ein schwieriger Job, den Sie da haben.«
»Und wie das Pünktchen auf dem ›i‹ kommt nun noch meine vergebliche Reise hinzu.«
Sie hatten das Essen beendet und standen auf. David bot ihr einen Platz neben dem Kamin an und rückte die Sessel zurecht. Dann wollte er die Rotweingläser neu füllen. Aber Mary hielt ihre Hand über das Glas. »Bitte, für mich nichts mehr. Ich fürchte, dass mein Schwindelgefühl zurückkehrt.«
McClay nickte verständnisvoll. »Sehen Sie, Sie sind noch lange nicht über den Berg. Die Luft hier oben wird Ihnen guttun, und ich bin ein sehr guter Lämmerwiesenführer.«
»Danke, ich glaube Ihnen, und was machen Sie sonst noch? Entschuldigen Sie, wenn ich neugierig bin, aber außer der Tatsache, dass Sie hier der Hausherr sind und dass Sie, weil Sie viel auf Reisen sind, in Restaurants essen müssen, weiß ich gar nichts über Sie.«
David McClay lachte laut und herzhaft. »Das ist doch wunderbar. Lassen wir's dabei. Ich könnte mir nichts Schöneres wünschen.«
Auch Mary lachte. »Das glaube ich Ihnen, das würde mir auch gefallen, aber leider fragt das Leben nicht nach unseren Wünschen.«
»Und was würden Sie sich wünschen, wenn das Leben es erlaubte?«, versuchte er, sie von sich abzulenken.
»Nein, nein, wir sprechen jetzt nicht von Wünschen, sondern von Realitäten. Ich wüsste wirklich gern, mit wem ich es zu tun habe, wer mir da so rasant ins Auto gefahren ist und mich vom vorgesehenen Weg ins Abseits gedrängt hat. Und ich meine damit nicht nur die Straße.«
McClay war wieder ernst geworden.
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