Schottische Engel: Roman (German Edition)
der geeignete Mann über den Weg laufen, und schon vergisst sie ihre Verpflichtungen. Und dann beantrage ich das Sorgerecht.«
»Du bist ständig unterwegs, David, du bist selten zu Hause. Wann und wie willst du dich um ein kleines Mädchen kümmern? Man wird einem berufstätigen Vater mit ständigen Weltreisen niemals das Sorgerecht zuerkennen. Willst du dann die Erziehung und Pflege deiner Tochter irgendwelchen Angestellten überlassen?«
David sah Mary tief in die Augen. »Alles würde sich ändern, wenn wir ein gemeinsames Leben planen würden. Liebling, willst du mich heiraten?«
Mary war schockiert. Wie konnte er ihr einen Antrag machen, der so berechnend war? Tief gekränkt schüttelte sie den Kopf. »Nein, David, im Augenblick bin ich nicht in der Lage, auf deinen Antrag einzugehen.«
Verwirrt sah er sie an und ergriff ihre Hände. »Bist du mir böse, weil ich ehrlich war und weil ich mein kleines Mädchen in meiner Nähe wissen möchte? Mary, das kann nicht dein Ernst sein. Ich liebe dich doch.«
»Ich liebe dich auch, aber die Verhältnisse, die sich nun mitten hinein in unsere Gefühle drängen, sind mir im Augenblick zu verwirrend. Ich muss mich mit diesen neuen Begebenheiten erst vertraut machen, und das kann ich nicht in wenigen Minuten. Ich wäre dir dankbar, wenn ich jetzt allein sein könnte.«
David stand auf. »Ich verstehe. Es ist auch schon sehr spät geworden. Treffen wir uns morgen beim Frühstück? So um neun Uhr etwa?«
»Ja, natürlich. Was steht morgen auf dem Programm?«
»Ich muss mir die Filmateliers in Tonndorf ansehen und dort mit der Verwaltung wegen der Termine verhandeln. Wenn Kennarth die Übersetzung fertig hat, müssen wir in der City die Schauplätze besichtigen und uns um die Kostüme kümmern. Möller sagte, er habe Beziehungen zu einem Theaterfundus. Es wäre gut, wenn du mich begleiten könntest.«
»Selbstverständlich, aber ich brauche eine Kopie der Übersetzung, um mir ein Bild über Räumlichkeiten und Personen zu machen.«
»Dann bis morgen also.«
Mary nickte. Hörte sie da ein kleines Fragezeichen in seiner Stimme? »Ich werde pünktlich sein.« Dann blickte sie David nach, der langsam, fast unwillig ihre Suite verließ. Die Trauer in seinen Augen war nicht zu übersehen, aber auch sie war unendlich enttäuscht über den Ausgang dieses Abends, der so vielversprechend begonnen hatte. Freilich, sie hatte einen Heiratsantrag bekommen, aber unter welchen Umständen! Andererseits war es fair von ihm, dass er sie über seine Probleme informierte, bevor er mit ihr die Nacht verbrachte.
Sie zog sich aus, ging ins Bad und duschte noch einmal, als könne sie die Schwierigkeiten dieser späten Nachtstunde abwaschen. Was sie am meisten getroffen hatte, war der Gedanke, sein Antrag könne mit einem geregelten Familienleben für seine Tochter zusammenhängen. Darauf würde sie in keiner Weise eingehen. Sie liebte ihn, sie fühlte sich zu ihm hingezogen, sie wollte an seiner Seite arbeiten, mit ihm Glück und Erfolge genießen, gemeinsam Probleme bewältigen und Freuden erleben, sie wollte aber ganz bestimmt nicht als Ersatzmutter die Betreuung eines für sie fremden Kindes übernehmen. Und das würde sie ihm ganz klar sagen.
Als sie schließlich im Bett lag und die Lampe gelöscht war, kamen dann doch die Tränen. Tränen der Enttäuschung und eines Schmerzes, der ganz tief in ihrem Innern wütete. Ihr Verstand riet ihr zu einem schnellen Ende, und ihr Herz weinte vor Enttäuschung. ›Ist es nicht am besten, ich verschwinde so schnell wie möglich, ich bin einfach morgen Früh fort? Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende‹, dachte sie, und dann musste sie über diese dumme Redensart lächeln. ›Nein, ich werde nicht die Flucht ergreifen, ich werde um mein Glück kämpfen. Vielleicht verliere ich, aber dann weiß ich wenigstens, dass ich versucht habe, mein Glück zu retten. Und dann diese Arbeit an seiner Seite, die ist so interessant, so vielseitig, so umfangreich, die werde ich nicht einfach aufgeben. Sie hat mir den Engel geschenkt, wenn das kein gutes Omen ist.‹ Und mit dem Gedanken an ihren Engel schlief sie endlich ein.
XXIV
Aber es war kein guter Schlaf für Mary. Sie wälzte sich hin und her, wurde wach, weil sie von Kindergeschrei und Hundegebell geträumt hatte, schlief wieder ein und träumte von Wasser, in dem sie zu ertrinken drohte, und als sie zum Schluss vom Zerhacken ihres Engels träumte, stand sie müde und erschöpft
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