Schottische Engel: Roman (German Edition)
Engel gefunden zu haben, allein sein wollte mit ihrem Glück. ›Ganz allein?‹, fragte er sich dennoch und verabschiedete den Kunsthändler nach ein paar angemessenen Worten und mehreren Drinks. Man war sich einig, dass der schottische Produzent Ferdinand Möller bevorzugen würde, wenn es um die Aktualisierung der Filmvorbereitungen ging.
»Sie haben eine ausgezeichnete Requisiteurin, Lord McClay, die Dame weiß sehr genau Bescheid, sogar mit den Hamburger Traditionen.«
David nickte. »Die Hanseaten haben seinerzeit viele englische Überlieferungen angenommen. In der Architektur, im Möbeldesign, in der Mode und im Sport hat man sich gern an britischen Vorbildern orientiert.«
»Das stimmt«, lachte Ferdinand Möller, »ich selbst bin Mitglied des alten, Hamburger Ruder-Clubs‹, den die Briten 1836 in unserer Stadt ins Leben gerufen haben. Initiator war der Schotte Edgar Daniel Roß.« Und wieder ernst geworden, fuhr er fort: »Wenn ich allein an die hygienischen Verhältnisse in Hamburg denke, bevor der britische Ingenieur William Lindley sich um die Wasserversorgung, die Abwassersiele, die Kanalisation und die Straßenbeleuchtung gekümmert hat, dann weiß ich, was die Stadt den Briten zu verdanken hat.«
»Ja, auf einigen Gebieten waren die Londoner Verhältnisse den Hamburger Anlagen weit voraus.«
»Haben Sie denn nun bei mir alles gefunden, was Sie für Ihren neuen Film brauchen?«
»Ich hoffe. Es ist für mich nicht gerade ein Vergnügen, mich um die Ausstattung persönlich zu kümmern. Aber Miss Ashton hat mich auf Fehler in anderen Filmen hingewiesen, und so möchte ich ihr die Möglichkeit geben, selbst zu suchen, was wir brauchen, und sie dabei unterstützen.«
»Haben Sie sich schon nach Kostümen erkundigt? Ich hätte da eine Beziehung zu einem alten Theaterfundus, vielleicht kann ich Ihnen auch dabei etwas helfen?«
»Das wäre sehr nett, aber so weit sind wir noch nicht. Ich brauche jetzt erst einmal die Übersetzung, und danach kann ich ins Detail gehen.«
David verabschiedete den Kunsthändler und fuhr mit dem Lift nach oben. Vor Marys Tür zögerte er einen Augenblick, dann entschloss er sich, zunächst zu duschen, um Staub und Gerüche der alten Möbelspeicher abzuwaschen, und sich umzuziehen. Im legeren Hausanzug rief er dann den Zimmerservice und bestellte Champagner und ein delikates Abendessen für zwei Personen in die Suite nach nebenan. Dann erst ging er auf den Korridor und klopfte an Marys Tür.
Sie öffnete sofort, denn im Geheimen hatte sie längst mit seinem Kommen gerechnet. David trat ein. Leicht geblendet von der untergehenden Sonne am gegenüberliegenden Alsterufer sah er Mary als Schattenriss vor sich stehen, denn die Strahlen der tiefstehenden Sonne durchbrachen den dünnen Seidenkaftan und entblößten die schlanke Frauengestalt, die sich darin zu verbergen suchte. Er streckte die Arme nach ihr aus, und Mary konnte in seinen Augen die Liebe erkennen, die ihn bewegte.
Mit einem strahlenden Lächeln drängte sie sich in seine Arme. Er drückte sie zärtlich an sich, und sie fühlte seinen Herzschlag. Sie schloss die Augen und atmete seinen Duft ein. Und sie wusste, dass dies ein sehr entscheidender Augenblick ihres Lebens war. Niemals würde sie das Gefühl des Glücks, der Zufriedenheit, der Geborgenheit vergessen, das sie in diesem Moment erlebte. Sie waren einander so nah wie niemals zuvor, und ihre Lippen waren nur einen Hauch weit voneinander entfernt. Plötzlich sehnte sie sich nach seiner Berührung, nach seinem Kuss, nach dem Spiel seiner Lippen und der Kraft seiner Hände. Und als er sie endlich küsste, wusste sie, dass sie im Einklang miteinander waren. Sein Kuss war liebevoll und zärtlich, sanft und auch ein bisschen scheu, als sei er sich seiner Eroberung noch nicht ganz sicher. Da legte sie ihm den Arm um den Hals, zog ihn ganz eng an sich, öffnete die obersten Knöpfe seines Hemds und streichelte seine nackte Brust, bis ein Seufzer der Befreiung ihn durchströmte. Dann lösten sie sich voneinander, und Mary führte ihn zu ihrem Engel. Hand in Hand standen sie vor der Statue. »Ich danke dir, David«, flüsterte Mary. »Ohne dich hätte ich ihn niemals gefunden.«
Er legte ihr den Arm um die Schulter. »Du hattest einfach das richtige Gespür für ihn, Mary, er konnte dir nicht entgehen.«
Sie setzen sich nebeneinander und betrachteten die silbrig schimmernde Gestalt mit dem sanften Glanz des von Meerwasser ausgeblichenen Holzes. »Er ist wirklich
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