Schottisches Feuer
Einen langen Moment starrten sie sich in die Augen. »Wie ich sehe, sind die Gerüchte wahr«, sagte Jamie kühl. »Ich habe schon nach dir gesucht.«
Duncan versteifte sich bei der unheilvollen Begrüßung und fragte sich, ob sein Bruder gleich die Wachen rufen würde. Dass sein Bruder sich freute, ihn zu sehen, wäre möglicherweise eine Übertreibung.
Es blieb ihm erspart, das herauszufinden, denn plötzlich tauchte eines der schönsten Geschöpfe auf, das er je gesehen hatte. Mit geröteten Wangen, einem breiten Willkommenslächeln auf den sinnlich geschwungenen Lippen und langem ebenholzschwarzem Haar, das ihr lose um die Schultern wogte, eilte sie die Stufen herunter. Wenn er sich nicht täuschte, dann war dieses liebreizende Geschöpf die berüchtigte Caitrina Campbell, geborene Lamont.
Sie setzte gerade zu einer Entschuldigung für ihre Verspätung an, als sie nur einen einzigen Blick auf das Gesicht ihres Mannes warf und mitten im Satz verstummte. Sofort eilte sie zu ihm. »Was ist los? Was ist passiert?«
Da Jamies Gesicht ungefähr so ausdrucksvoll war wie ein Stein, konnte Duncan sich über ihre scharfsichtige Fähigkeit, die Stimmung ihres Mannes zu lesen, nur wundern. War die Hochzeit seines Bruders etwa eine Liebesheirat gewesen? Das schien nicht zu seinen Erinnerungen an seinen praktisch veranlagten, pflichtbewussten Bruder zu passen. Obwohl er besser als jeder andere wissen sollte, dass die Liebe blind zuschlug – und weder König noch Bettler vor ihrem Schlag gefeit waren.
Jamie gab keine Antwort, sondern sah wieder zu Duncan. Caitrina folgte der Richtung seines Blicks und erschrak so unmittelbar, dass Duncan bewusst wurde, dass die Ähnlichkeit zwischen den Brüdern ausgeprägter sein musste, als er geahnt hatte. Sie konnte ihre Gefühle nicht so geschickt verbergen wie ihr Ehemann, und Duncan sah, wie sich der Schock auf ihren erlesenen Zügen ausbreitete. Halb erwartete er, dass sie sich bekreuzigte – wenn Schottland noch katholisch wäre, hätte sie das vermutlich auch getan.
»Gütiger Gott!«, murmelte sie stattdessen. Sofort legte sie Jamie die Hand auf den Arm, wie um ihn zu beruhigen. Bemerkenswerterweise schien das zu funktionieren und etwas von dessen Anspannung verflog.
Caitrina erholte sich schnell von ihrem Schreck und erinnerte sich an ihre Pflichten als Gastgeberin. Sie wandte sich an Jeannie, um sie zu begrüßen. Nachdem sie ein paar Höflichkeiten ausgetauscht hatten, meinte sie: »Ihr müsst erschöpft sein nach so einer langen Reise. Ich werde für Eure Männer Bademöglichkeiten in der Küche richten lassen und für Euch einen Badezuber im Turm vorbereiten. Die Abendmahlzeit ist in ungefähr einer Stunde – falls es Euch an etwas fehlen sollte, braucht Ihr nur danach zu fragen. Ich hoffe, Ihr bleibt bis nach Hogmanay bei uns?«
Verneinend schüttelte Jeannie den Kopf. »Ich muss schon weit vor Neujahr nach Aboyne Castle zurückkehren. Wenn ich vor Weihnachten nicht zurück bin, wird meine Tochter mir das ewig vorwerfen. Ich fürchte, ich kann nur etwa eine Woche bleiben.«
Duncan versteifte sich. Er konnte es in ihrer Stimme hören: Ihre Pflicht war getan. Ihn sicher herzubringen, hatte jede Schuld beglichen, die sie ihm gegenüber verspürt haben mochte.
Caitrina fuhr fort: »Darf ich vorschlagen, dass wir uns in den Saal zurückziehen?« Bedeutungsvoll glitt ihr Blick zu Duncan. »Eure Männer können uns natürlich begleiten.«
Jeannie nickte. »Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft.«
»Das ist eine heilige Pflicht in den Highlands, doch in diesem Fall ist es auch ein Vergnügen«, erwiderte Caitrina mit einem charmanten Lächeln. Ihr Lächeln wurde zu einer Warnung, als sie Jamie ansah. »Ist es nicht so, mein Gemahl?«
Die nicht gerade subtile Ermahnung entging seinem Bruder nicht. » Aye «, knurrte er. »Selbst ein Verräter ist heute Nacht sicher.«
Und mit dieser unheilvollen Warnung wurde Jeannie von dem Laird und der Lady in den Turm geführt, während Duncan zurückblieb.
Vermutlich war dieses erste Wiedersehen besser gelaufen, als er hätte erwarten dürfen – zumindest war er nicht ins nächstbeste Verlies geworfen worden. Ob Jamies Nachsichtigkeit allerdings andauern würde, musste sich zeigen.
Er wartete, in der Hoffnung …
Doch Jeannie sah nicht zurück. Sie hatte getan, was sie versprochen hatte, und ihn zur Burg seines Bruders gebracht. Nun lag es nur noch an ihm, seine Argumente vorzubringen und die Schlinge von seinem Hals
Weitere Kostenlose Bücher