Schottisches Feuer
Entsetzen blieb Jeannie das Herz stockend stehen. »Am letzten Michaelitag wurde er neun.«
Einen Moment lang sagte Lizzie kein Wort, sondern starrte sie nur mit diesen glasklaren blauen Augen an. Jeannie hielt ihrem Blick unverwandt stand, obwohl jeder Nerv ihres Körpers zum Zerreißen gespannt war.
»Ich habe über den Tag nachgedacht, als du nach Castleswene kamst.«
Jeannie versteifte sich.
Elizabeth fuhr fort. »Ich hielt es für mutig von dir, herzukommen und nach Duncan zu suchen, nach allem, was du ihm angetan hattest – oder was er dir vorgeworfen hatte«, verbesserte sie. »Du wirktest so aufgewühlt, als du erfuhrst, dass er fort war. Es überraschte mich, kurz darauf von deiner Heirat zu hören. Das schien Duncans Anschuldigungen zu bestätigen, aber ich frage mich, ob es dafür vielleicht auch noch einen anderen Grund gab.«
Jeannie ballte fest die Fäuste an den Seiten. »Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es einfach«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Eines Tages wird er sehen, was ich sehe. Und sobald er das tut, wird der Unterschied von vier oder fünf Monaten ihn nicht aufhalten. Irgendwo wird es eine Person geben, die sich an etwas erinnert und die ihm die Wahrheit sagen kann. Diese Person solltest du sein.«
Elizabeth Campbell hatte kein Recht, ihr zu sagen, was sie tun sollte. »Was du da andeutest, ist falsch. Du weißt nicht, wovon du redest.«
Mit einer instinktiven, beschützenden Geste legte Lizzie sich die Hand auf den Bauch. »Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich das doch tue. Dieses Baby ist noch nicht einmal geboren, und doch weiß ich schon jetzt, dass es nur sehr wenig gibt, was ich nicht tun würde, um mein Kind zu schützen. Ich bin mir sicher, du hast dasselbe empfunden.« Ihre Stimme wurde leise. »Aber Duncan hat ein Recht darauf, es zu erfahren.«
Er hatte dieses Recht verwirkt, als er sie verließ.
Oder etwa nicht?
Tief in ihrem Herzen wusste Jeannie, dass sie es ihm letztendlich doch sagen musste, wenn sie eine Chance haben wollten.
Elizabeth wandte den Blick ab. Sie schien zu erkennen, dass sie genug gesagt hatte. »Wolltest du etwas mit mir besprechen?«
Jeannie brauchte einen Augenblick, bis ihre Gefühle sich wieder beruhigt hatten und sie sich so weit gefasst hatte, dass sie antworten konnte. Sie verdrängte Dougall aus ihren Gedanken und sagte: »Ich hatte gehofft, dass du mir helfen könntest, Duncan zu einer kurzen Reise nach Islay zu überreden. Er hat sich an etwas erinnert, was euer Vater gesagt …«
»Aber er bricht doch morgen schon dahin auf. Das wurde letzten Abend so beschlossen. Ich dachte, er hätte es dir gesagt.« Lizzie sah beschämt aus. »Obwohl es schon spät war, vermutlich hast du ihn seitdem nicht mehr gesehen.«
Offensichtlich hatte Elizabeth – richtigerweise – angenommen, dass Duncan bei ihr schlief, und fragte sich nun, ob sie sich vielleicht geirrt hatte.
Doch das hatte sie nicht.
Jeannie presste den Mund zu einem schmalen Strich zusammen. Der Schuft.
»Ich bin sicher, er hatte vor, es dir zu sagen«, bemerkte Lizzie.
Aye , vermutlich nach einer weiteren Nacht, in der sie versuchte, ihn zu ›überzeugen‹ und es für sie bereits zu spät war, ihn zu begleiten. Mit schmalen Augen starrte sie zu dem beeindruckenden Mann im Burghof hinunter. »Das möchte ich wetten«, erwiderte sie. Sie entschuldigte sich und marschierte entschlossen die Treppe hinunter. Wenn er glaubte, er könnte sie einfach so ausschließen, dann irrte er sich gewaltig!
Die Übungen waren für diesen Morgen gerade beendet, als sie aus dem Turm trat und die Außentreppe hinunterging. Duncan, der sich mit Leif und Conall unterhielt, stand mit dem Rücken zu ihr und sah sie nicht näher kommen. Doch seine Männer warfen nur einen einzigen Blick auf sie und suchten unter einem Vorwand schnell das Weite, bevor sie Duncan auf die Schulter tippte.
Er drehte sich um, und instinktiv breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, als er sie sah.
Einen Augenblick lang ließ die mächtige Wirkung dieses umwerfend gut aussehenden Mannes, der vor ihr stand, sie ihren Ärger vergessen. Das schwarze Haar glänzte in der Sonne, seine Augen glitzerten blau wie das Meer, und ein breites Lächeln, das ihn jünger machte, als er war, ließ weiße Zähne aufblitzen. Sie konnte die Hitze der Waffenübungen auf seiner Haut riechen. Der scharfe, intensiv männliche Duft berührte sie auf eine dunkle, ursprüngliche Weise. Ein muskulöser,
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