Schottisches Feuer
gefährdete er die Stellung seines Bruders bei Argyll. Schon dadurch, dass er überhaupt hierhergekommen war, hatte er ihn in eine unangenehme Lage gebracht – schließlich gewährte Jamie nicht nur irgendeinem Flüchtigen Unterschlupf, sondern dem von Archie meistgesuchten Gesetzlosen. Duncan und Jamie hatten am vergangenen Abend darüber gestritten. Duncan war felsenfest entschlossen, seine Schwierigkeiten nicht seiner Familie aufzubürden, und Jamie war ebenso fest entschlossen, sich nicht wieder von seinem Bruder abzuwenden.
Offensichtlich hatten die Brüder eine Art Pattsituation erreicht, denn als Duncan zu ihr ins Bett geschlüpft war, hatte er behauptet, dass alles geregelt sei.
Nachdem Jeannie sich aus dem Bett gequält hatte, rief sie nach einem Bad. Sie beeilte sich, denn die sanfte Hitze des Torffeuers konnte der kalten Morgenluft nichts entgegensetzen. Nachdem sie sich rasch mithilfe einer der jungen Dienerinnen angekleidet hatte, machte sie sich auf die Suche nach Elizabeth Campbell. Wenn sie Duncan nicht allein überzeugen konnte, dann musste sie eben Verstärkung anfordern.
Sie fand seine Schwester in einem der Alkoven, die in die dicken Wände der Burg eingelassen waren, wo sie mit einem Buch auf dem Schoß aus dem Fenster starrte. Auf ihrem Gesicht lag ein eigenartig nachdenklicher Ausdruck.
»Ich hoffe, ich störe nicht.«
Beim Klang ihrer Stimme zuckte Elizabeth zusammen und sah Jeannie an, als wäre sie ein Geist. Mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen schüttelte sie den Kopf. » Nay. Ich fühlte mich heute Morgen nicht gut, und Patrick hat darauf bestanden, dass er mich nur nach Inveraray gehen lässt, wenn ich mich etwas ausgeruht habe. Normalerweise würde ich so einer Erpressung nicht nachgeben, aber um die Wahrheit zu sagen, ich war wirklich müde.«
»Die letzten Tage waren auch sehr aufregend.«
Ein trockenes Lächeln spielte um Elizabeths Mund. »Das waren sie wirklich.«
»Willst du in Inveraray mit Argyll über Duncan sprechen?«
Elizabeth nickte. »Zusammen mit Jamie und meinem Mann. Ich hoffe, es wird helfen.«
Doch Jeannie konnte ihrer Stimme anhören, dass sie es nicht für wahrscheinlich hielt. Elizabeth blickte wieder aus dem Fenster, und Jeannie trat etwas näher, damit sie erkennen konnte, was ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Durch die mit Raureif überzogene Scheibe erblickte sie die Krieger im Burghof. Ein paar der Männer übten mit ihren Schwertern, andere mit Pfeil und Bogen, und ein paar Jungen standen in einem Kreis um …
Ihr Magen zog sich zusammen. O Gott! Sie bemühte sich um eine ungerührte Miene und versuchte, ihre Reaktion zu verbergen, doch sie wusste, was Lizzies Aufmerksamkeit so gefesselt hatte.
Duncan hatte sein Versprechen wahr gemacht und zeigte Dougall seine Kampftechniken. Gerade rangen er und ihr Sohn in einer spielerischen Nahkampfsimulation miteinander. Dougall versuchte, an ihm vorbeizuhechten, doch Duncan erwischte ihn, umschlang ihn wie in einer heftigen Umarmung und hob den zappelnden Jungen in die Luft. Dougall musste etwas Lustiges gesagt haben, denn Duncan warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend.
Jeannie spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Sie zusammen zu sehen, war die reiste Qual, doch sie konnte sich nicht abwenden. Ihr Gewissen nagte an ihr. Mehr als einmal in den letzten beiden Tagen hatte sie gegen den Drang angekämpft, es ihm zu sagen, doch sie konnte immer noch nicht völlig sicher sein, wie er reagieren würde. Würde er es so sehen wie sie oder würde er darauf bestehen, ihn als seinen Sohn anzuerkennen? Sie würde ihm ihre Zukunft anvertrauen, aber konnte sie ihm auch die ihres Sohnes anvertrauen?
Sie wollte es, doch etwas hielt sie zurück. Es war nicht nur die Tatsache, dass er ein Geächteter war – ein Mann, der um sein Leben kämpfte –, obwohl das natürlich eine Rolle spielte. Sie hatten gerade erst begonnen, das wiederaufzubauen, was beinahe zerstört worden war. Diese Verbindung zwischen ihnen, die mit jeder von Leidenschaft erfüllten Nacht stärker wurde, war noch zu zerbrechlich. Sie hatten noch nicht über die Zukunft gesprochen – wie konnten sie auch, wenn Duncans Zukunft so unsicher war?
Jeannie konnte Lizzies Blick auf sich spüren. »Ich nehme an, das ist dein Sohn«, sagte sie.
Mit pochendem Herzen trat Jeannie vom Fenster zurück. »Ja.« Sie begegnete Lizzies Blick. »Sein Name ist Dougall.«
»Er sieht aus, als wäre er ungefähr zehn Jahre alt.«
Vor
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