Schottisches Feuer
hören. Es gab nur einen einzigen Grund, warum eine junge Lady mitten in der Nacht ganz alleine im Schloss herumschlich, und jeder würde ganz genau wissen, was sie vorhatte.
Ein geheimes Stelldichein war so ziemlich das Letzte, was sie selbst jemals von sich erwartet hätte. Wenn ihr Bruder und die Schwestern sie jetzt sehen könnten, dann würden sie es nicht glauben.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. Wie tief die Rechtschaffene doch gefallen war. Sie hatte stets versucht, ihren jüngeren Geschwistern ein gutes Beispiel zu sein, was ihre augenblickliche Situation umso verwunderlicher machte.
Das hier ist etwas anderes , redete Jeannie sich ein. Sie war noch nie zuvor verliebt gewesen … Nun, zumindest noch nicht so. Der Junge aus dem Dorf, der sie als Zielscheibe für seine Wurfübungen mit wassergefüllten Schweineblasen benutzt hatte, als sie zehn war, und der Stalljunge, der sie vier Jahre später für einen feuchten Kuss in eine Ecke gedrängt hatte, zählten nicht.
Duncan war anders.
Alle anfänglichen Bedenken, die sie wegen seiner Geburt gehabt haben mochte, waren schnell zerstreut worden. Die vergangenen zwei Wochen, in denen sie sich verstohlen mit ihm unterhalten und ihn beobachtet hatte, bestätigten ihr, was sie schon an jenem ersten Abend gespürt hatte: Bastard hin oder her, Duncan Campbell war ein Mann, den man bewundern musste.
Er war ein geborener Anführer mit der Ausstrahlung und der Autorität eines Chieftains. Er schien für Großes bestimmt zu sein, etwas, was seine Familie offensichtlich erkannt hatte. Nicht nur, dass ihn sein Vater zum Captain der Wache und zum Burgvogt von Castleswene gemacht hatte, er war auch ein engerer Vertrauter seines Cousins, als ihr bewusst gewesen war. Es hieß, Duncan wäre Argylls rechte Hand.
Und er hatte sie ausgewählt und sie all den anderen Frauen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten, vorgezogen. Er tanzte nur gelegentlich, doch wenn er es tat, dann mit ihr oder der Frau eines seiner Gefährten. Außerdem schien er nach Gelegenheiten zu suchen, in ihrer Nähe zu sein – er nahm sogar seit Kurzem an der morgendlichen Jagd teil. Das alles war umso aufregender, weil sie spürte, dass ihm eigentlich nichts weniger im Sinn lag, als einer Frau den Hof zu machen – er war ganz eindeutig wegen einer wichtigen Angelegenheit am Königshof. Doch dass er ihr den Hof machte, war eindeutig.
Ihr Vater würde zweifellos enttäuscht sein. Er hatte bereits angedeutet, dass er Pläne für ihre Zukunft hatte, doch er liebte sie, und Jeannie war überzeugt davon, dass sie ihn irgendwann doch noch überzeugen konnte.
Irgendwann.
Doch so lange konnte sie nicht warten.
Kurz verspürte sie den Anflug eines schlechten Gewissens, doch sie verdrängte ihn schnell wieder. Es war nur ein harmloses kleines Vergnügen, das war alles.
Doch warum waren dann ihre Hände feucht, warum fühlte sich ihre Haut heiß und empfindsam an und warum flatterte ihr das Herz wild vor Aufregung in der Brust?
»Triff dich mit mir«, hatte er gesagt, mit dieser tiefen, singenden Stimme, die ihr warm und prickelnd unter die Haut ging.
Diese Stimme … In den dunklen Versprechen, die in ihren samtigen Tiefen verborgen lagen, könnte ein Mädchen sich verlieren. Es war wirklich nicht fair. Wie sollte sie da widerstehen?
Bei jedem anderen Mann hätte sie diesen Vorschlag sofort zurückgewiesen. Doch bei Duncan wusste man immer, woran man war. Wenn er vorhatte, sie zu verführen, dann würde er ihr das sagen – und sie nicht mit einem mitternächtlichen Bad im See locken. Er strahlte Edelmut und Rechtschaffenheit aus. Sie vertraute ihm.
»Das kann ich nicht«, hatte sie schwach protestiert, doch sie wussten beide, wie sehnlichst sie ja sagen wollte. Einen Augenblick lang nagte sie an der Unterlippe, denn was er vorschlug, war ungeheuerlich, unmöglich … oder? »Wenn uns jemand entdeckt …«
»Niemand wird uns entdecken, dafür werde ich sorgen. Du wirst es nicht bereuen.« Seine Augen wurden dunkel vor Verheißung, sodass ihr ein prickelnder Schauer über den Körper jagte. Überall. Diese Schauer schienen mit jedem Tag stärker und fordernder zu werden. »Es wird eine sehr warme Nacht werden – unangenehm warm. Stell dir nur vor, wie erfrischend das Wasser sein wird. Du sagtest doch, dass du es liebst, schwimmen zu gehen? Nun, ich verspreche dir, es gibt nichts Schöneres als ein erfrischendes Bad im Schein des Vollmonds.« Er verstummte kurz und sah ihr tief in die Augen. »Wir können
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