Schottisches Feuer
allein sein.« Sanft strich er ihr eine verirrte Haarlocke aus dem Gesicht, und sie hielt den Atem an, als seine raue Fingerkuppe über ihre Wange streifte. Die Berührung fühlte sich ebenso überwältigend wie gefährlich an.
Verstohlen sah sie sich um, in der Sorge, dass jemand diese intime Geste bemerkt haben könnte. Doch die Menge, die sich im Saal versammelt hatte, war viel zu sehr mit Tanzen und Trinken beschäftigt, um die knospende Liebe zwischen der jungen Tochter des Grants of Freuchie und dem unehelichen Sohn des Campbells of Auchinbreck zu bemerken. Sie vermutete, dass Duncans Bruder Colin etwas ahnte, doch er war vor einer Woche abgereist.
Und dann versetzte er ihr den Todesstoß. »Ich muss bald fort. Vielleicht schon morgen.«
Ihr Herz zog sich zusammen. Schon der bloße Gedanke, dass er fortging, versetzte sie in Panik. Wann würde sie ihn wiedersehen? Bat er sie um dieses Treffen, damit sie über ihre Zukunft sprechen konnten?
Er hatte ihr keine Gelegenheit gegeben zu antworten, sondern sich entfernt, bevor sie nein sagen konnte. Doch der Blick seiner blauen Augen … Als wüsste er, dass die Verlockung zu süß war, um ihr zu widerstehen.
Dennoch hatte sie fest vorgehabt, nicht hinzugehen. Die Lektion ihrer Mutter war ihr eine Lehre gewesen. Doch nachdem die Saat erst einmal gesät war, wurde sie den Gedanken einfach nicht mehr los. Ihr Herz wünschte sich dieses Treffen mit ihm, und ihr Verstand wurde den Versuch bald leid, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Jahrelang hatte sie Vorsicht walten lassen, doch nicht dieses Mal.
Ich bin nicht meine Mutter.
Die Gelegenheit, nach zwei Wochen der heimlichen Augenblicke unter den wachsamen Augen ihres Vaters und ihrer Tante mit ihm allein zu sein, war schlicht und einfach zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen. Das zarte Flirten während des einen oder anderen Tanzes – immer darauf bedacht, keinen Verdacht auf sich zu lenken – war einfach nicht genug. Sie wollte seine Arme um sich spüren, hinauf in diese eindringlichen blauen Augen blicken und die Worte hören, die schon vom ersten Moment an zwischen ihnen zu schweben schienen. Seine Lippen zum ersten Mal auf ihren spüren.
In ihrem Innern tobte ein Drängen, eine Rastlosigkeit, die sie nicht völlig verstehen konnte. Doch sie fürchtete, wenn sie die Gelegenheit nicht ergriff, dann würde sie Duncan Campbell für immer verlieren.
Hier war sie also, schlug jede Vorsicht in den Wind, schlich im Nachtgewand durch den Palast, wartete in Nischen darauf, dass die Wachen vorbeigingen, und folgte dem Ruf ihres Herzens.
Erleichtert stieß sie einen tiefen Seufzer aus, als sie den großen Saal verließ und in den barmkin hinaustrat. Mondlicht ergoss sich über die Einfriedung und tauchte den mittleren Innenhof in übersinnlich glühendes Licht. Hier draußen war es heller als drinnen, was allerdings auch ein Problem darstellte: Wo sollte sie sich verstecken?
Der große Saal von Stirling Castle war der größte, der je in Schottland gebaut worden war, und seine massiven Mauern hätten genug Schatten gespendet, wären sie nicht weiß getüncht worden. Dadurch erstrahlte das Gebäude meilenweit wie ein Leuchtfeuer königlicher Überlegenheit und war ein schlechter Hintergrund, um sich vor den zahlreichen Wachmännern zu verstecken, die überall herumliefen.
»Beim Nordtor«, hatte er gesagt. Sie wünschte, er hätte sich etwas genauer ausgedrückt. Doch andererseits hatte sie auch nicht wirklich gedacht, dort hinzugehen.
Sie holte tief Luft, dann huschte sie über den Burghof zu den Küchengebäuden – und wartete.
Wo war er?
Sie biss sich auf die Unterlippe. Vielleicht war das hier doch keine gute Idee?
Völlig unvermittelt schlang sich von hinten ein Arm um ihre Taille, und sie wurde an eine Brust gezogen, die so hart war wie eine Mauer aus Stein. Sie hätte aufgeschrien, wenn er ihr nicht die Hand auf den Mund gelegt und ins Ohr geflüstert hätte: »Psst, ich bin es.«
Als ihr Herz wieder regelmäßiger schlug, wurde ihr sehr deutlich bewusst, wie sich sein Körper an sie presste. Noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen. Es fühlte sich fremd an … und aufregend. Sein Körper war hart und unnachgiebig, und dennoch fühlte sie sich beschützt und sicher. Hitze und ein schwacher, waldiger Duft nach Seife stiegen ihr verlockend in die Nase. Sie musste dem Drang widerstehen, tief einzuatmen, denn er roch einfach unglaublich gut.
Doch er hatte sie beinahe zu Tode erschreckt.
In der
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