Schottisches Feuer
»Hast du mich so sehr gehasst?«, fragte Duncan.
Colins Augen blitzten wütend blau in der Dunkelheit. »Ja!«, platzte es aus ihm heraus. Der Ausbruch von Feindseligkeit überraschte sie beide, und schnell gewann Colin die Beherrschung zurück. »Nein. Du hättest wissen müssen, wo dein Platz ist.«
Colin ritt nach vorne, und Duncan konnte ihn nicht weiter befragen. Doch vielleicht hatte er schon genug erfahren. Colins Groll gegen ihn war viel tiefer, als er geahnt hatte – viel tiefer vermutlich, als selbst Colin es ahnte.
Colin preschte durch die Dunkelheit und den Regen und trieb die Pferde bis an ihre Grenzen, doch irgendwann mussten sie dennoch anhalten.
Die Männer, die Colin als Nachhut zurückgeschickt hatte, kamen mit der Auskunft zurück, dass sie nichts gefunden hatten, dennoch ging sein Bruder kein Risiko ein. Er ließ die Hälfte seiner Männer einen Schutzring um das Lager bilden, während sich die anderen um die Pferde kümmerten.
Duncan war von den anderen Gefangenen getrennt worden und saß mit dem Rücken an einen Baum gelehnt am Ufer. Er hatte den ganzen Tag lang nichts gegessen und war überrascht, als der junge Wachmann ihm ein Stück Dörrfleisch und Ale anbot. Dankbar nahm er es an.
Der Junge sah sich um. »Ist es wahr, was man sich über Euch erzählt?«
»Was denn genau?«, fragte Duncan trocken. »Man erzählt sich eine ganze Menge.«
Der Junge versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen – ohne Erfolg. »Dass Ihr der Mann seid, der als der Schwarze Highlander bekannt ist. Dass Ihr der größte Krieger …«
»Das reicht, Gillis!« Duncan konnte hören, wie gereizt sein Bruder war. »Was dieser Mann auf dem Festland auch für einen Ruf haben mag, in den Highlands ist er ein wegen Hochverrats verurteilter Geächteter.«
» Aye , Chief«, antwortete Gillis nervös. »Tut mir leid, Chief.«
»Kümmere dich um die Pferde«, befahl Colin. »Es ist Zeit aufzubrechen.«
Duncans Sinne waren aufs Äußerste geschärft. Es war so weit. Niemand beobachtete sie – die Männer waren alle ein Stück vor ihnen und bereiteten alles für den Aufbruch vor.
»Steh auf«, sagte Colin.
Langsam erhob sich Duncan. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Hand seines Bruders zum Gürtel fuhr und nach der Pistole griff.
Die Erkenntnis, dass sein Bruder ihn genug hasste, um ihn zu töten, fraß an ihm wie Säure, doch er war bereit. Die Hände immer noch gefesselt wirbelte er herum und trat zu, so fest er konnte. Sein Stiefel traf Colins Arm in dem Moment, als er ihn hob, und stieß ihm die Waffe aus der Hand. Bevor Colin sich von der Überraschung erholen konnte, trat Duncan erneut nach ihm, diesmal an den Kopf, den Colin instinktiv über seinen verletzten Arm gebeugt hatte. Der Tritt betäubte ihn lange genug, dass Duncan sich mit einem wilden Kampfschrei auf ihn werfen und sie beide zu Boden reißen konnte.
Conall antwortete auf sein Signal mit einem ebenso wilden Schrei, und der Kampf hatte begonnen. Obwohl es bei nur zwei Mann gegen beinahe vierzig abzuwarten blieb, wie viel Kampf es geben würde – trotz der Gerüchte, die Gegenteiliges behaupteten, hatten seine Fähigkeiten Grenzen. Ihre Chancen würden sich ein wenig verbessern, wenn Conall die Wachmänner der Gordons befreien konnte.
Colin grunzte vor Schmerz, als Duncan ihm den Ellbogen in den Unterbauch rammte und nach dem Dolch seines Bruders griff. Er packte ihn und hatte gerade seine Fesseln durchgeschnitten, als Colin sich erholt hatte und ihm einen heftigen Schlag an die Schläfe versetzte. Duncan trug seinen mit Nägeln beschlagenen ledernen cotun und seinen Brustpanzer, doch seinen stählernen Helm hatte er in dem Inn zurückgelassen, und der Hieb seines Bruders traf ihn hart genug, dass er in seinem Schädel widerhallte. Welche Mängel sein Bruder auch immer haben mochte, an Kraft mangelte es ihm nicht.
Duncan erwiderte den Hieb mit einem Schlag auf Colins Kiefer und hörte es befriedigend knirschen.
Mit dem Messer in der Hand sprang Duncan auf die Beine – er konnte hören, dass die Kampfgeräusche näher kamen, und wollte sichergehen, dass er sich in einer Position befand, in der er mögliche Angreifer abwehren konnte.
Es war dunkel und neblig, doch die Umrisse der sich nähernden Männer waren gerade noch zu erkennen.
Colin kämpfte sich wieder auf die Beine und sah ihn an. »Verdammt sollst du sein«, fluchte er und rieb sich das Kinn.
»Nicht ich bin derjenige, der versucht, seinen eigenen Bruder zu töten«, stieß
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