Schottisches Feuer
sicher. Gewiss würde ihr Vater in ihm den Mann sehen, der er war.
Dennoch konnte sie nichts gegen ihre Nervosität machen. Nicht zum ersten Mal wischte sie sich die schweißnassen Handflächen an den Röcken ab. In letzter Zeit war ihr Vater so abwesend und verdrießlich, und des Nachts kamen und gingen geheimnisvolle Reiter zu allen Zeiten. Vielleicht war gerade nicht der beste Zeitpunkt …
Hitze stieg ihr in die Wangen, als ihr bewusst wurde, dass Colin sie anstarrte. Er musste sie etwas gefragt haben. »Wie bitte?«
»Ich fragte gerade, ob Euch die Jagd gefällt.«
Jeannie nickte. »Sehr sogar. Obwohl ich fürchte, dass ich mit Pfeil und Bogen schrecklich aus der Übung bin.«
»Ich würde Euch mit Freuden helfen, Euren früheren Ruhm zurückzuerobern.«
Jeannie lachte. »Ich befürchte, sonderlich ruhmreich war ich beim Bogenschießen nie. Seid Ihr auch ein Bogenschütze?«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Auch?«
Die Geste erinnerte sie so sehr an Duncan, dass es sie einen Augenblick aus der Fassung brachte. »Ich … ich hörte, dass Euer Bruder ein geübter Bogenschütze ist«, stotterte sie, wobei ihre geröteten Wangen zweifellos viel zu viel preisgaben.
Mit seltsamem Blick musterte er sie, bevor sich sein Mund zu einem trockenen Lächeln verzog. »Es gibt wenig, was mein Bruder nicht gut macht.«
Es war eine nüchterne Feststellung, doch Jeannie entdeckte eine plötzliche Härte in seinem Blick und fragte sich, ob etwas hinter der Bemerkung steckte. Es musste schwierig sein, einen Bruder zu haben, der so vollkommen war wie Duncan – er war ein ziemlich großes Vorbild, um ihm nachzueifern. »Ihr habt mehr als einen Bruder, soweit ich weiß«, lenkte sie die Unterhaltung von Duncan fort, denn es fiel ihr zu schwer, Desinteresse vorzutäuschen.
Colin nickte. »Jamie ist ein Knappe unseres Cousins Argyll auf Inveraray. Ich habe auch eine jüngere Schwester, Elizabeth. Sie ist ebenfalls auf Inveraray bei der Countess, solange wir fort sind.« Er sah sie so eindringlich an, dass Jeannie sich verlegen mit dem Handrücken übers Gesicht fuhr, weil sie befürchtete, dass ihr noch ein Krümel des Kuchens, den sie aus der Küche stibitzt hatte, im Gesicht klebte. »Ich hoffe, dass ich bald Gelegenheit haben werde, mit Euch zur Jagd zu gehen. Ich würde Euch gerne besser kennenlernen.«
Jeannie lächelte. »Das würde ich auch …«
Doch dann brachen ihre Worte ab, denn in diesem Augenblick betrat Duncan den Saal.
Instinktiv flog ihr Blick zu seinen Augen und suchte nach der Verbundenheit, die ihr schon so vertraut geworden war.
Doch der Blick, der ihr begegnete, war völlig anders, als sie es gewohnt war. Er war hart und finster und erfüllt von einem Ausdruck, den sie an ihm noch nie zuvor gesehen hatte – rasendem Zorn.
Die letzten zwei Wochen waren die schwierigsten seines Lebens gewesen. Heftig hatte Duncan mit sich gerungen, was er tun sollte. Seine Pflicht verlangte, dass er beiseitetrat – zumindest bis die Schlacht gegen Huntly gewonnen war. Doch all seine Instinkte sträubten sich dagegen. Jeannie gehörte ihm, und er wollte sie. Er hatte seinen Bruder nie um dessen Position als Erbe und tanaiste beneidet, doch nun tat er es.
Den Saal zu betreten und Jeannie mit Colin zu sehen, löste die hässlichsten Gefühle in ihm aus, zu denen er in der Lage war; darunter manches, dessen er sich nicht für fähig gehalten hatte – Zorn, Verbitterung und sogar Eifersucht.
Er wollte verdammt sein, wenn er zur Seite treten und tatenlos zusehen würde! Nicht dieses Mal. Nicht bei Jeannie. Er würde auf den richtigen Moment warten – doch was immer es auch kostete, sie würde seine Frau werden.
Mit einem Mal spürte Duncan die Gegenwart seines Vaters an seiner Seite. »Sieh dich vor, Junge, du trägst deine Gefühle für alle offensichtlich zur Schau«, flüsterte er ihm warnend zu. »Wir haben bekommen, wofür wir hergekommen sind. Gib Grant keinen Anlass, um sich die Sache noch einmal zu überlegen.«
Grant hatte nicht nur zugestimmt, mit ihnen gegen Strathbogie Castle zu marschieren, um gegen Huntly zu kämpfen, sondern auch noch, die Verlobung mit Colin in Erwägung zu ziehen. Es hatte Duncan jedes Quäntchen an Selbstbeherrschung gekostet, ruhig dazusitzen und den Mund zu halten, während über eine Heirat zwischen seinem Bruder und der Frau, die er liebte, gesprochen wurde.
Doch die beiden zusammen zu sehen … seine Geduld hatte ganz offensichtlich ihre Grenzen. Ein glühender Dolch schien
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