Schottisches Feuer
Duncan recht hatte – es war kein Ort für sie. Deshalb kehrte sie so rasch wie möglich nach Hause zurück, um dort alles zu tun, was sie konnte – zu warten, zu beten und zu hoffen, dass er kommen würde, um sie zu holen, wie er es versprochen hatte. Ihre Wachmänner zögerten nicht angesichts der plötzlichen »Planänderung«, die sie statt nach Castle Fraser direkt nach Freuchie zurückführte, und sie musste das Unwohlsein, das sie als Erklärung angab, nicht einmal vortäuschen. Dafür sorgte schon ihre Angst um Duncan.
Es war der längste Tag ihres Lebens. Ein weiteres Mal warf sie ihre Handarbeit beiseite und hastete zum Turmfenster, wie sie es schon den ganzen Tag tat – hin und her, nicht in der Lage, still zu sitzen. Gott, sie hasste das Warten! Hasste das Gefühl völliger Hilflosigkeit. Ihr Leben entschied sich auf einem Schlachtfeld und alles, was sie tun konnte, war danebenzustehen und zu warten. Was geschah gerade? Wer würde siegreich hervorgehen? Würde er immer noch kommen und sie holen? Und die quälendste Frage von allen: Würde er überhaupt am Leben bleiben, um zu ihr kommen zu können?
Er konnte nicht tot sein. Das würde sie doch sicher spüren!
Dann, kurz vor Einbruch der Nacht, sah Jeannie die weiße Standarte des Chiefs of Grant über der Hügelkuppe im Osten auftauchen. Und nicht weit dahinter ritt ihr Vater.
Sie schickte ein Dankgebet für seine heile Rückkehr zum Himmel und rannte die Treppe hinunter, durch den Saal und die Außentreppe hinab in den barmkin , während ihr das Herz in der Brust wie eine Trommel schlug. Der siegreiche Ausdruck auf den Gesichtern ihrer Clansleute, während sie unter dem eisernen Fallgitter hindurchritten, beantwortete ihre erste Frage: Die Campbells hatten verloren.
Nun konnte sie nichts anderes mehr tun, als warten und hoffen, dass Duncan lebte – jeder andere Gedanke war unerträglich für sie – und er sie nicht für den Verrat ihres Vaters verantwortlich machte.
Der Triumph über die todesmutige Rettung der Mackintoshes war nur kurzlebig. Duncan kämpfte bis zum bitteren Ende an der Seite der MacLeans, doch schließlich wurden sie doch überwältigt und waren zum Rückzug gezwungen. Gleichgültig, wie tapfer oder erbittert sie kämpften, Huntlys Kavallerie und seine Kanonen erwiesen sich als unbesiegbar. Hätten die Campbells nicht in den ersten Stunden der Schlacht ihren halben Vortrupp verloren, dann hätten sie eine Chance gehabt. So konnten sie sich nur des kleinen Sieges rühmen, dass sie lange ausgehalten und Widerstand geleistet hatten. Obwohl er vermutete, dass sein Cousin das nicht so sehen würde.
Argylls Flagge würde heute Abend tatsächlich über Strathbogie Castle wehen, so wie er es versprochen hatte, allerdings nicht als Zeichen seines Sieges, sondern seiner Niederlage. Obwohl drei Speere nötig gewesen waren, um Robert Fraser, Argylls Standartenträger zu Fall zu bringen, war er dem Feind zum Opfer gefallen.
Der letzte Hauch Tageslicht war soeben verblasst, als Duncan betäubt und erschöpft von den Ereignissen des Tages durch die Tore von Drumin Castle ritt.
Sie warteten im Arbeitszimmer des Lairds auf ihn. Die Chiefs und Chieftains, die letzten Abend den Kriegsrat gebildet hatten, wirkten verändert – düster und betrübt, ihr Stolz hing in Fetzen, und eine Aura von betäubter Ungläubigkeit hing in dem schmerzhaft stillen Raum. Diese Männer waren es nicht gewohnt zu verlieren. Und obwohl keiner von ihnen je seine Gedanken in Worte fassen würde, war das Bewusstsein allgegenwärtig, dass das, wovor viele gewarnt hatten, Wirklichkeit geworden war. Doch niemand hatte Grants Verrat vorhersehen können.
Vielleicht hätten sie das sollen. Vielleicht hätte er das sollen.
Duncan brauchte nur einen einzigen Blick auf seinen Cousin zu werfen, und er sah, dass die Zeit seiner Wut keinen Abbruch getan hatte. Er war in gefährlicher Stimmung. Die Lippen zähnefletschend zurückgezogen, die Augen schmal und hart, sah er mit seinen scharf geschnittenen gallischen Zügen aus wie ein halb verrückter Wolf, der bereit war, dem Erstbesten, der ihn schief ansah, ein Stück Fleisch herauszureißen.
Doch der verletzte Stolz seines Cousins war nicht das, was Duncan im Augenblick beschäftigte. »Unser Vater?«, sagte er fragend zu Colin, erleichtert darüber, dass sein Bruder seine Befehle befolgt hatte und auf die Burg zurückgekehrt war.
Colins Gesicht war blass und mit Schmutz und Blut verschmiert, sein Blick fahrig und leer. Er
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