Schottisches Feuer
alles, was von der Vorhut noch übrig geblieben war.
Allerdings waren sie nicht nur durch Huntlys Kanonen dezimiert worden, sondern auch durch Verrat.
Grimmig presste er den Mund zu einem Strich zusammen. Jeannies Vater, der Chief of Grant, hatte sie verraten, indem er sich bei der ersten Kanonensalve zurückzog, die gesamte linke Stellung mit sich nahm und dadurch die Vorhut von Anfang an unwiderruflich lähmte.
Hatte Jeannie gewusst, was ihr Vater vorhatte? Den ganzen langen Tag schon quälte ihn diese Frage – oder genauer gesagt, die Antwort darauf, die er bereits kannte.
Als der Rauch der letzten Salve sich lichtete, sah er sich suchend nach dem Earl um. Diesmal würde sein verdammter Cousin verflucht noch mal auf ihn hören: Argyll musste sich zurückziehen. So nah an der Angriffslinie war es zu gefährlich, und es wurde zu schwierig, ihn zu beschützen. Ihre zahlenmäßige Überlegenheit existierte nicht mehr. Die Männer, die dem Ruf in der Hoffnung auf Kriegsbeute bereitwillig gefolgt waren, hatten es sich beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten anders überlegt. Sie hatten Huntlys fünfzehnhundert Mann starker Kavallerie nur etwa zweihundertfünfzig berittene Männer und vielleicht tausend Fußsoldaten entgegenzusetzen, obwohl die meisten derjenigen, die ausgehalten hatten, ausgebildete Krieger waren. Doch Hakenbüchsen und Schwerter konnten keine Kanonen besiegen. Alles, was das Zentrum der Vorhut am Zusammenbrechen hinderte, waren ihre überlegenere Position auf dem Hügel und die Tatsache, dass sie die Sonne im Rücken hatten.
Duncan, der vorausgeritten war, um die Männer zu warnen, wendete sein Ross und suchte dann mit den Augen die Linie hinter ihm ab, wo er erleichtert Argyll an der Seite seines Vaters entdeckte.
Sein Cousin konnte gut genug mit einer Muskete umgehen, doch im Nahkampf war der geschickte Umgang mit dem Schwert vorzuziehen – ein Mann konnte leicht aufgespießt werden, bevor er überhaupt Gelegenheit dazu hatte nachzuladen. Duncans Vater schwang sein Schwert mit genug Geschick für sie beide.
Wie schon den ganzen Tag stürmte eine Truppe von Huntlys Männern nach dem Kanonenfeuer vor, um die von den Explosionen gerissenen Lücken zu ihrem Vorteil zu nutzen. Doch sofort erkannte Duncan, dass diesmal etwas anders war. Es waren mehr Männer, mehr Pferde und mehr Waffen – alle direkt auf seinen Vater und Argyll gerichtet.
Er stieß einen Warnschrei aus, doch er wurde vom Schlachtenlärm verschluckt. Aus dem Handgelenk ließ er die Zügel schnalzen und gab seinem Pferd die Sporen, doch der Abstand war zu groß. Sein Puls raste. Er würde es nicht schaffen.
Angst stieg in ihm hoch.
Durch den Rauch, durch das Gewirr von bewegten Gliedmaßen und kämpfenden Soldaten sah Duncan, wie sich der Lauf einer Waffe direkt auf Argyll richtete.
Die Zeit blieb stehen. Es fühlte sich an, als kämpfte er schwankend mit einem Fuß über dem Rand eines Abgrunds um sein Gleichgewicht. Duncan wusste, was geschehen würde. Er konnte beinahe schon vor sich sehen, wie die Kugel seinen Cousin traf, und mit all seinen Instinkten, mit jeder Faser seines Seins wollte er das verhindern. Doch die Zeit würde nicht lange genug stehen bleiben, um Archie zu erreichen.
Der Soldat der Gordons drückte den Abzug durch.
Er sah den Zündfunken. Fühlte die Verzögerung. Hörte den Knall.
Er musste noch einmal gerufen haben, denn sein Vater blickte hoch, sah ihn auf sie zugaloppieren und erkannte schnell den Grund dafür. Mit erhobenem Schwert warf er sich mit genug Wucht gegen Archie, um sie beide von ihren Pferden zu stoßen. Schon im Fallen, gelang es seinem Vater noch, mit einem Hieb den Mann aufzuschlitzen, der gerade die Waffe abgefeuert hatte.
Mit einem wilden Kriegsschrei erreichte Duncan sie in vollem Galopp und schlug zwei weitere Männer nieder. Die Wachmänner seines Vaters sammelten sich hinter ihm, und mit einem Ausbruch erneuter Wildheit schlugen sie den Angriff zurück.
Als es vorbei war und die Gordons sich zurückgezogen hatten, um den nächsten Ausfall vorzubereiten, sprang Duncan vom Pferd und pflügte durch den Kreis von Männern, der sich um seinen Vater und Argyll gebildet hatte.
Sein Cousin trat ihm in den Weg. Die Erleichterung darüber, Archie am Leben zu sehen, machte heftiger Wut Platz. Nun würde er vielleicht endlich auf ihn hören. »Verdammt, Archie, du musst dich zurückziehen! Du hättest getötet werden können.«
» Duncan, es tut mir leid …« Archies
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