Schottlands Wächter (German Edition)
bleiben. Es wäre nicht gut, wenn sie in Schottland beim herumfliegen erwischt werden würden.
Gemächlich schwebten sie über die Wälder ins Tal hinab und genossen den Anblick der grünenden Hänge im Sonnenlicht.
Ein Bauer stapfte hinter seinen Ochsen über das Feld und drückte mit aller Kraft den Pflug in die Erde. Wall auf Wall umgebrochenen Bodens ließ er hinter sich. Bryanna hatte Mitleid mit ihm.
„Der arme Kerl. Mit einem Trecker wäre er in wenigen Minuten fertig.”
„Trecker?” Kaylee zog fragend die Augenbrauen hoch.
Bryanna erklärte den Trecker, so gut sie konnte. Technik war nicht gerade ihre Spezialität und so warfen ihre Erklärungen immer mehr Fragen auf. Schließlich gab sie auf. „Ich kauf dir ein Buch, dann kannst du es selbst nachlesen.”
Kaylee schob den Unterkiefer vor und schwieg. Bryanna kam es so vor, als wäre sie beleidigt.
„Was ist los?”
Kaylee antwortete nicht.
„Mir kannst du es doch sagen. Ich bin deine Freundin.”
Schließlich gab sich Kaylee einen Ruck und antwortete. Sie sprach sehr leise und sah Bryanna nicht an. „Ich kann nicht lesen.”
Bryannas Mund klappte auf und zu, als wolle sie etwas sagen, aber ihr fehlten die Worte. Sie landete an einer einsamen Stelle und zog Kaylee neben sich ins Gras.
„Wie kommt es, dass du nicht lesen kannst?”
Kaylee knirschte mit den Zähnen. Schließlich seufzte sie und begann zu erzählen. „Nachdem meine Mutter mit mir vor Vater geflohen war, suchte sie ihre beste Freundin Eileen auf. Dort lebten wir fünf Jahre, dann erfuhr Mutter, dass Vater immer noch auf der Suche nach ihr war. Eileen riet ihr, sich noch einmal an Morag zu wenden.”
„Und?”, drängelte Bryanna.
„Es war eine weite und gefährliche Reise zu Morag. Deshalb entschied sich Mutter, mich nicht mitzunehmen. Eileen versprach Mutter, gut auf mich zu achten. Also wuchs ich auf einer Farm mit einigen Morgen Land, einer Kuh und einer Hand voll Hühnern auf, wo das Lesen nicht unbedingt überlebensnotwendig ist.”
„Hat deine Mutter dich denn nicht geholt, als sie in Sicherheit war?”
„Sie war fast zwei Jahre weg und als sie mich holen wollte, wurde sie krank. Sie starb wenige Tage nach ihrer Rückkehr.” Kaylee presste die Lippen aufeinander. Die Erinnerung war ihr sichtlich unangenehm. „Und dann kam Vater und holte mich ab.”
„Einfach so? Eileen hätte doch wissen müssen, dass es deiner Mutter nicht recht sein würde, wenn du zu ihm zurückgehst”, sagte Bryanna. Kaylee strich sich mit der Hand über die Augen.
„Sie haben gestritten, aber Vater sprach so leise, dass ich ihn nicht verstehen konnte.” Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. „Irgendwann nahm Eileen ihre Tochter auf den Arm, presste sie an sich und verschwand mit ihr im Haus. Sie half mir nicht einmal, meine Sachen zu packen.”
„Wahrscheinlich hat er sie bedroht.”
„Niemals! Eher wollte sie Geld von ihm fürs Aufpassen. Sie war bestimmt erleichtert, dass er mich holen kam.” Kaylees Gesicht sah aus, wie aus Stein gemeißelt. Ihre Augen wirkten kalt. Es war klar, dass sie auf Eileen nicht besonders gut zu sprechen war. Sie holte tief Luft und sagte: „Seit der Geburt ihrer Tochter war Eileen oft gemein zu mir. Ich war ganz froh, dass Vater mich mitnahm. Er hatte mich wenigstens lieb.”
Bryanna hätte Kaylee am liebsten gefragt, ob es Liebe sein konnte, die eigene Tochter zur Mörderin zu machen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nichts zu sagen.
„Wir sollten weiter”, sagte Kaylee.
Bryanna nickte und stand auf. „Wenn wir beide das hier überleben sollten, kommst du mich besuchen und ich bringe dir das Lesen bei.”
Kaylees Lächeln wirkte schon viel fröhlicher. „Ich nehme dich beim Wort.”
Bryanna hakte sich bei Kaylee ein und hob erneut ab. Die Schönheit der Landschaft heiterte die Mädchen auf, so dass sie bald scherzend und lachend durch die Luft sausten. Bryanna übte Ausweichmanöver, Saltos, Schrauben und Loopings.
„Yuppie! Das macht Spaß!” Kaylee schrie vor Freude. „Bringst du mir das bei?”
„Na klar. Du musst einfach folgenden Spruch sagen …” Bryanna versuchte die Worte des Flugzaubers auszusprechen, aber sie gingen ihr nicht über die Lippen. „Na so was. Ich kann den Zauber denken, aber nicht sagen.”
„Wahrscheinlich brauchst du einen speziellen Zauber, um dein Wissen weiterzugeben”, sagte Kaylee. „Vielleicht finden wir einen auf der Reise.”
Mit einem Mal brannte das Kettchen mit dem
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