Schottlands Wächter (German Edition)
keltischen Kreuz, dass Kaylee ihr geschenkt hatte, eisig auf ihrer Haut. Bryanna zog es hervor und schob es zwischen T-Shirt und Jacke.
Langsam flogen sie nach Westen bis zu der Stelle, wo auf der schottischen Seite das kleine Städtchen Glencoe war. Sie landete dort, wo auf der anderen Seite der Kirchhof war. „Kannst du hier auf mich warten?”, fragte sie Kaylee. „Ich will nur eben ein wenig einkaufen.”
Kaylee nickte und setzte sich ins Gras, das in Alba schon um etliches grüner war, als in Schottland.
Bryanna schlüpfte durchs Weltengewebe. Wie geplant stand sie im Schatten neben der Kirche. Es regnete. Es war einer jener Regengüsse, die niemals wieder aufzuhören schienen. Bryanna zog die Kapuze über den Kopf und wanderte durch das Städtchen, bis sie einen Lebensmittelladen gefunden hatte. Sie kaufte Brot, Käse, Wurst und Erdnussbutter ein. Auch mehrere Flaschen mit Brause wanderten in ihren Rucksack, in dem sie bei Fosters zu ihrer großen Freude ein Portemonnaie mit Geld entdeckt hatte. Sie bezahlte die Einkäufe und machte sich auf den Weg zurück zur Kirche. Ihre doppelte Wahrnehmung zeigte ihr das freundlich grüne Gras, die Büsche und Bäume Albas und einen wunderbar blauen Himmel.
Als ihr Weg durch eine Seitenstraße führte, sah sie sich um. Die Straße war menschenleer und auch in den Fenstern der Häuser war niemand zu sehen. Schnell schob sie sich durchs Weltengewebe zurück nach Alba. Sie schlug die Kapuze zurück und legte den Kopf in den Nacken. Die Sonne wärmte ihr Gesicht. Vögel zwitscherten von Nestbau und Futtersuche, von Liebe und Arbeit und in der Ferne hörte sie das Rauschen der Wellen von Loch Linnhe. Bryanna entschied sich, den kurzen Weg zu Kaylee nicht zu fliegen. Ihre Schritte wurden durch das Gras gedämpft, so dass sie den Gesang der Vögel genießen konnte.
„Es wird Zeit, dass du deine Aufgabe erfüllst, Tochter.” Die für Bryanna unbekannte Stimme klang wie das Bersten des Eises eines Lochs, wenn es die Frühlingssonne wärmte. „Nimm dir ihr Wissen und töte sie.”
„Ich will nicht, dass du dich ständig einmischt”, sagte Kaylee und es klang wütend. Bryanna hielt die Luft an.
Kaylee will mich töten? Das kann nicht sein. Sie ist doch meine Freundin! So leise sie konnte schlich sie zwischen den Büschen hindurch. Kaylee stand dem schwarz gekleideten Fremden gegenüber, der sie in den Bergen angegriffen hatte. Seine Stimme ging Bryanna durch Mark und Bein.
„Wenn du getan hättest, was ich dir befohlen habe, wäre die Sache längst erledigt. Aber nein! Du hast meine Goblins gestört und sie vor den Redcaps und dem Boobrie gerettet.”
Kaylee funkelte ihren Vater an und ballte die Hände zu Fäusten. „Sie war völlig ahnungslos. Sie wusste nicht einmal, dass es Alba gibt. Welchen Sinn hätte es gehabt, sie zu töten?”
„Und welchen Sinn hatte ihre Rettung?”, fragte Callum.
„Ihr wird Wissen gegeben, das ich nicht bekomme. Also halte dich aus meinen Angelegenheiten raus und ich werde tun, was getan werden muss. Sie vertraut mir.”
Bryanna verstand Kaylees Stimme kaum noch. Die beiden sprachen jetzt leiser, so dass Bryanna einen Teil des Gesprächs verpasste. Sie ärgerte sich, weil zwischen ihr und den beiden keine Büsche zum Anschleichen wuchsen. Im selben Moment fiel ihr die Lösung ein. Sie verstärkte ihr Gehör durch Magie. Sofort verstand sie, was Kaylee sagte.
„Als nächstes reisen wir nach Westray. Ich frage mich, was wir dort wollen?”
Der Kelpie von Pityoulish zuckte mit den Schultern. „Dem Balg fehlt noch einiges an Wissen. Daher ist es am besten, du schlägst bald zu. Hat sie erst genug gelernt, hast du keine Chance mehr.”
„Auch ich lerne auf dieser Reise, Vater.”
„Uninteressant. Du hast den Zauber, der ihr Wissen auf dich überträgt, wenn sie stirbt. Den Rest lernst du, wenn du Wächter bist.”
Bryanna sah, wie Kaylee mit gesenktem Kopf vor ihrem Vater stand.
„Ich will sie aber nicht töten. Sie ist meine Freundin”, flüsterte sie.
Callum legte ihr die Hand unter das Kinn und zwang sie ihn anzusehen. „Du enttäuscht mich, Kaylee. Töte sie! Ich verlasse mich auf dich.”
„Ja, Vater.” Kaylees Stimme klang traurig.
Der Kelpie schüttelte seine schwarzen Haare. Es wurde eine schwarze Mähne daraus und er galoppierte als Pferd davon. Kaylee sank zu Boden, schlug die Hände vors Gesicht und weinte.
Bryanna schaltete ihr überfeines Gehör wieder ab und setzte sich ebenfalls, um nachzudenken. Was
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