Schottlands Wächter (German Edition)
schnurgerade ins Herz Edinburghs führte. Bryanna raufte sich die Haare.
„Warum holen wir sie nicht ein? Ein Auto sollte doch schneller sein, als eine Kutsche.”
Der Fahrer zeigte auf die vielen Autos, die in die Stadt drängten. „Bei dem Verkehr kann ich nicht einfach so überholen. Was ist denn so besonderes an der Kutsche?”
„Mein Vater ist entführt worden.” Bryannas Stimme zitterte und sie war den Tränen nahe. „Können sie mit ihrem Funkgerät nicht die Polizei rufen?”
Der Fahrer griff nach dem Mikrofon. „Das werd ich besser meiner Firma melden, damit sie die Polizei ruft.” Nach einer Weile hängte er es wieder an seinen Platz zurück. „Ich kriege keinen Kontakt, Missi. Haben Sie kein Handy?”
„Nein.” Bryanna rutschte ungeduldig hin und her. Am liebsten wäre sie ausgestiegen und der Kutsche nachgelaufen, aber ihr war klar, dass sie damit keine Chance hatte, sie einzuholen „Können Sie nicht schneller fahren?”
„Nicht in diesem Verkehr.”
Einige Minuten fuhren sie schweigend. Bryanna kaute auf der Unterlippe. Ihr Blick klebte an der schwarzen Kutsche, die nur wenige hundert Meter vor ihnen fuhr. Nach einer Weile fiel ihr auf, dass alle Ampeln an denen sie vorbeikamen grün leuchteten, so dass sie nicht halten mussten. Sie schluckte.
„Haben … äh … sind Sie schon mal in die Stadt gefahren, ohne eine einzige rote Ampel?”
Der Fahrer schüttelte den Kopf. Ohne den Verkehr aus den Augen zu lassen, sagte er: „Heute ist insgesamt ein merkwürdiger Tag oder war bei Ihnen jemals eine Straße nicht dort wo sie sein sollte?” Er fing Bryannas fragenden Blick im Rückspiegel auf. „Kurz bevor Sie vor mein Taxi sprangen, fuhr ich Leith Walk hinunter. Als ich in die Pilrig-Straße einbog, standen Sie da.”
„Das ist nicht möglich. Bei dem Verkehr dauert es mindestens eine halbe Stunde von Leith Walk zu uns. Wie haben Sie das gemacht?”
„Wenn es nicht so absurd wäre, würde ich sagen: Magie. Aber fragen Sie mich lieber nicht, ich habe nicht die leiseste Idee.” Er zeigte nach vorne. „Ich schätze, die Kutsche fährt zum Schloss oder zum Waverley Bahnhof. Da können sie die Polizei rufen.” Bryanna nickte und rutschte ungeduldig hin und her. Sie wünschte sich, der Verkehr würde nachlassen. Stattdessen wurde er dichter, je näher sie der Innenstadt kamen.
Sie sah, dass die Kutsche tatsächlich in die Bahnhofszufahrt einbog. Das Taxi folgte. Bryanna zog einen Geldschein aus ihrem Portemonnaie und gab ihn dem Fahrer.
„Das ist viel zu viel!”
„Nehmen Sie den Rest und rufen Sie die Polizei an, falls ich es nicht schaffe.” Sie sprang aus dem Auto, bevor es richtig stand. Die Kutsche war nirgends zu sehen. Bryanna wunderte sich, denn es gab nicht viele Stellen, wo sie sein konnte. Da die beiden Rampen die einzigen Zufahrten waren, musste die Kutsche in der Nähe sein. Ihr Herz klopfte heftig. Sie zwang sich zur Ruhe und sah sich um. Zwischen den beiden Rampen lag ein beige gefliester Wartebereich mit Telefonen, Sitzbänken und kleinen Läden zu beiden Seiten. Hinter einer großen, schwarzen Tafel, die in orangefarbenen Buchstaben Ankunfts- und Abfahrtzeiten der Züge anzeigte, begannen die Bahnsteige. Zahlreiche Menschen hielten sich in dem Wartebereich auf. Sie klammerten sich an ihr Gepäck, unterhielten sich oder schauten gezielt aneinander vorbei.
Bryanna bemerkte eine Gruppe von Pfadfindern in beigefarbenen Uniformen und bunten Krawatten. Betreut wurden sie von einem Mann in schwarzer Lederkleidung. Seine schwarzen Haare waren bis auf die kinnlangen Ponyfransen kurz geschnitten. Er sah Bryanna über die Köpfe der Touristen hinweg an. Der Blick aus seinen strahlend blauen Augen ließ Bryanna frösteln. Er hasst mich. Aber warum? Ich kenne ihn doch gar nicht.
Einer der Pfadfinder drehte sich zu ihr um und zwinkerte ihr zu. Für einen Sekundenbruchteil grinste sie ein furchtbar hässliches Gesicht an. Ein Goblin! Bryanna traute ihren Augen nicht. Hatte sie wirklich eine knorrige Gestalt mit einer riesigen Nase gesehen oder war ihr mal wieder die Phantasie durchgegangen? Sie schüttelte den Kopf. Es muss eine Halluzination gewesen sein . Bis jetzt hatte sie ihre überschäumende Fantasie immer im Griff gehabt, zumindest seit dem Tag, an dem sie sich das letzte Mal zum Lesen hinter dem Sofa versteckt hatte.
Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich darauf, Morag wiederzufinden. Endlich sah sie Morags graues Kleid. Sie stand zwischen den Menschen
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