Schottlands Wächter (German Edition)
Bruder versuchte, ihr zu helfen”, sagte einer der Pfadfinder. Bryanna sah ihn an und fand keine Spur eines Goblins in dem pummeligen Jungengesicht.
„Mir geht es gut”, krächzte sie und versuchte ein weiteres Zittern zu unterdrücken.
„Bist du sicher? Du frierst doch. Hier nimm meine Jacke.” Das Mädchen legte Bryanna eine schwarze, mit Lammfell gefütterte Lederjacke um die Schultern.
„Danke.”
Das Mädchen sah sie besorgt an. „Ist jetzt wieder alles ok?” Bryanna nickte.
Das Mädchen grinste zufrieden. „Gut, dann muss ich los sonst erreiche ich meinen Zug nicht mehr.”
Bryanna hatte Schmerzen beim Antworten. Ihre Kehle war trocken und wund. Ihre Stimme klang, als ob sie von sehr weit her kam. „Wer bist du?”
„Kaylee.” Das Mädchen antwortete im Gehen. Bryanna sah ihren roten Lockenkopf in der Menge verschwinden, und zog die Jacke enger um ihre Schultern. Ich hätte sie zurückgeben müssen. Sie drehte sich zu den Pfadfindern um, aber sie waren auch nicht mehr zu sehen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
„Dad …” Sie sehnte sich nach einer Umarmung ihres Vaters und der Versicherung, dass alles wieder gut werden würde. Mit dem Ärmel der Jacke wischte sie sich die Tränen aus den Augen, als sie plötzlich Morag auf einen wartenden Zug zueilen sah.
Ohne sie finde ich Dad nie wieder , dachte Bryanna und rannte ihr nach. Dieses Mal muss sie mir sagen, wo er ist. Fest entschlossen Morag einzuholen, stolperte sie über Taschen und stieß mit Leuten zusammen. Sie ignorierte die bösen Seitenblicke und das wütende Gemurmel.
Morag bestieg einen der modernen, blau-gelb-weißen Triebwagen der Northern Line. Bryanna hörte die Türen warnend piepsen.
Meep meep meep .
Ohne zu zögern, schlüpfte sie durch den sich schließenden Spalt. Hinter ihr schlossen die Türen mit einem dumpfen Knall. Was mache ich hier nur? Das ist doch Aufgabe der Polizei. Als der Zug mit einem Ruck losfuhr, kämpfte Bryanna darum nicht mit beiden Fußten gegen die Tür zu trommeln und um Hilfe zu schreien. Warum tue ich so etwas? Ich bin doch sonst nicht so draufgängerisch. Eine beruhigende Wärme durchströmte sie. Sie entspannte sich und wunderte sich nicht einmal, wo diese magische Wärme her kam. Das Gefühl vermittelte ihr, dass sie richtig handelte. Wenn sie Morag erst einmal eingeholt hatte, würde sie endlich Antworten auf ihre Fragen bekommen.
Bryanna sah sich um. Das Innere des Zuges wirkte seltsam altmodisch. Sie stand in einem Abteil mit zwei einander gegenüberstehenden blau gepolsterten Holzbänken. Bestickte, weiße Tücher hingen über die Lehnen. Die Wände des Abteils waren mit Holz verkleidet und die Verbindung zum ebenfalls getäfelten Gang war ohne Tür. Es sah aus, als wäre sie in einen Waggon einer Museumsbahn geraten.
Bryanna runzelte die Stirn. Bin ich nicht in einen modernen Triebwagen eingestiegen? Sie war sich nicht mehr sicher. Vielleicht ist es ein Werbegag der Bahn. Der Zug bog auf ein anderes Gleis ab. Das Schaukeln ließ Bryanna taumeln. Als sie sich gefangen hatte, betrat sie den Gang. Langsam ging sie an den Abteilen vorbei und sah hinein. Sie durchquerte mehrere Waggons, aber Morag war nirgends zu sehen und auch die anderen Abteile waren seltsam leer. Unschlüssig blieb Bryanna in einem der Abteile stehen. Wo sind die Passagiere? Morag war doch nicht die Einzige, die eingestiegen ist.
„Du solltest Morag nicht folgen, Kleines. Nichts als Ärger”, sagte eine fremde Stimme hinter ihr. Bryanna fuhr herum und sah sich drei Frauen gegenüber, die auf den blauen Bänken saßen, die vor wenigen Minuten leer gewesen waren.
„Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht gesehen”, stammelte Bryanna. Die drei sahen sich so ähnlich, dass Bryanna sie für Mutter, Großmutter und Tochter hielt. Die könnten glatt als moderne Form der germanischen Nornen auftreten , dachte sie und stellte sich vor, wie die drei Frauen als dreieiniges, göttliches Schicksal die Zukunft vorhersagten und Fragen mit mystischen Rätseln beantworten. Sie verkniff sich ein Lächeln und nickte der jüngsten Frau zu, obwohl die mit ihren bunten Haaren, den Ringen in Nase und Ohren und der ärmellosen Lederjacke nicht gerade vertrauenerweckend aussah.
Die Großmutter lächelte breit. Ihr runzeliges Gesicht hätte eine gute Vorlage für eine Horrormaske sein können. Es erschreckte Bryanna.
„Ich muss weiter.” Sie hastete den Gang entlang und spürte
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