Schrecken der Nacht
mehr erfahren können.
Das bereitete ihm schon eine gewisse Sorge. Nicht, daß er sich fürchtete. Bei ihm trafen die Erfahrungen zusammen, und die Angst in der Stimme des Klostervorstehers war bei Marek nicht in Vergessenheit geraten.
Er hatte sich in seinen Wagen gesetzt und war von Petrila aus losgefahren. Immer wieder gab es in seiner Heimat Rumänien für ihn genug zu tun. Die Blutsauger schienen sich gerade hier besonders wohl zu fühlen. Das mochte an der Geschichte liegen, die natürlich eng mit der Existenz des Vlad Dracul in Zusammenhang stand, aber auch mit dieser düsteren Landschaft, die schon immer wie ein Bollwerk gewirkt hatte. Besonders bei den Türken, die von Dracula und seinen Kriegern zurückgeschlagen worden waren. Aber er hatte auch seine Grausamkeiten an ihnen ausprobieren können. Die Bilder, in denen die Gefangenen auf gewaltigen Pfählen saßen, waren zumeist als Holzschnitte übermittelt worden, aber es gab auch noch echte Gemälde über die Grausamkeiten des Grafen.
Er selbst lebte nicht mehr, doch er hatte seine Zeichen auch bis in die ferne Zukunft hinterlassen, und ein gewisser Will Mallmann, ein mächtiger Vampir, fühlte sich in der Rolle des Nachfolgers sehr wohl. Auf seine Art und Weise war er ebenfalls grausam, und durch den Blutstein mit dem echten Dracula eng verbunden.
Es war Sommer, Spätsommer, und der einsame Autofahrer spürte die Hitze, die in den Tälern lastete. Er mußte die schmalen Straßen nehmen und später die Serpentinen hoch zum Kloster fahren. Dichte Wälder begleiteten ihn. Manchmal sah er auch einen Bach, dessen Wasser hell schimmerte und die wenigen Sonnenstrahlen auf der Oberfläche auffing, die es schafften, in das Tal einzudringen.
Marek war schon seit einigen Stunden unterwegs, als sich das Tal öffnete. Es wurde breiter, und er sah die Umrisse einiger Häuser vor sich auftauchen.
Die Berge waren zurückgewichen. Durch den dichten Bewuchs verloren sie auch im hellen Licht der Mittagssonne nie ihre Düsternis. Auch Marek war kein Übermensch. Die schon recht lange Fahrt hatte ihn durstig und hungrig gemacht. Er suchte nach einer Kneipe, in der er essen und trinken konnte. Zunächst fand er eine Tankstelle, die ihm ebenfalls wie gerufen kam. Sie sah verrostet aus, auch ziemlich verfallen. Eine Bretterbude mit zwei Zapfsäulen davor. Betrieben wurde sie von einem jungen Burschen mit schulterlangen Haaren, der eine Jeans trug, die so eng wie eine zweite Haut war.
»Fremd hier?«
»Ja.«
»Volltanken?«
»Auch das.« Marek stieg aus, um sich die Beine zu vertreten. Er war ein schon älterer Mann mit eisgrauen Haaren und einem Oberlippenbart in der gleichen Farbe. Von der Statur her eher klein und leicht gedrungen, aber durchaus kräftig und immer voll auf sein Ziel konzentriert.
Der Schlauch steckte in der Öffnung, und der junge Tankwart fragte: »Woher kommen Sie denn?«
»Aus Petrila.«
»Das ist weit.«
»Es geht.«
»Mein Großvater schließt die Tankstelle in der nächsten Woche. Es lohnt sich nicht mehr. Jetzt flucht er auf die Marktwirtschaft und träumt wieder von den alten Zeiten.«
»Und was machen Sie?«
»Ich gehe wieder nach Bukarest zurück und studiere. Ich helfe hier nur in den Ferien aus, aber noch einmal komme ich nicht mehr hierher. Das Kaff hier ist grauenhaft.«
»Aber zu essen bekommt man – oder?«
»Ja. Sogar recht gut. Hähnchen. Nicht weit entfernt gibt es eine Geflügelfarm. Der Besitzer verkauft seine Ware auch an die Leute hier. Man kann das Fleisch essen.«
»Wie tröstlich.«
Der junge Mann lachte und hängte den Schlauch wieder ein. »Wo wollen Sie denn noch hin?«
Marek suchte in seiner rechten Hosentasche nach Geld. »Ach, nicht mehr weit. Nur bis zum Kloster.«
»Wollen Sie da eintreten?«
»Bestimmt nicht. Ich besuche nur einen Bekannten.«
Der Tankwart drehte sich um und schaute auf die Berge. »Ich bin noch nie dort gewesen. Da treibt mich auch nichts hin, wenn ich ehrlich sein soll. Außerdem ist da nichts mehr los. Mein Großvater hat die Mönche noch gekannt, aber das Kloster wird aufgelöst. Den Gerüchten nach wollen sie daraus ein Hotel machen und so Touristen anlocken. Wenn das tatsächlich durchkommt, gibt es auch wieder eine Chance für die Tankstelle. Aber nur nach der Renovierung.«
»Kann ich mir vorstellen.« Er hatte gesehen, wie viel er zahlen mußte, gab dem Tankwart einen entsprechenden Geldschein und verzichtete auf das Wechselgeld. »Sind die Mönche denn schon
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