Schrecken der Nacht
ausgezogen?«
Der junge Mann steckte das Geld in die Brusttasche seines Hemds. »Angeblich ja.«
»Was heißt angeblich?«
»Ich habe nichts gesehen. Sie hätten ja durch das Dorf wandern müssen, aber das ist nicht der Fall gewesen. Das Kloster steht leer, heißt es zumindest.«
Marek hatte die Antwort etwas irritiert. »Aber das kann ich mir nicht vorstellen.«
Er erntete ein Schulterzucken. »Kann sein, daß der eine oder andere noch oben ist. Aber das ist nicht mein Bier. Ich habe mal gehört, daß den Typen dort der Nachwuchs fehlt.« Er grinste. »Verständlich. Ich hätte auch keine Lust, da oben zu versauern. Früher hat man sich gut in den Klöstern verstecken können, aber heute haben wir andere Zeiten. Das hat sich herumgesprochen.«
»Sehr richtig.« Marek schaute die Dorfstraße entlang, deren Pflaster zahlreiche Lücken aufwies. »Wo finde ich jetzt die Kneipe, in der ich was essen kann?«
»In der Mitte. Das Haus mit dem gelben Anstrich und der grünen Tür. Da schmeckt es.«
»Danke.«
Der junge Mann schaute dem Pfähler noch nach, als er losfuhr. Der alte Käfer kämpfte sich über die Dorfstraße hinweg, und Marek hatte dabei das Gefühl, daß der Wagen ebenso alt war wie er. Die Schlaglöcher ließen den VW schaukeln. Er schlug manchmal mit dem Bodenblech auf, und Marek dachte daran, daß es Zeit war, sich einen anderen fahrbaren Untersatz zu kaufen.
Das würde so leicht nicht sein, denn umsonst bekommt man im Leben nichts. Und als reich konnte sich Marek beim besten Willen nicht bezeichnen. Er kam gerade über die Runden und war auch froh, daß er aus England unterstützt wurde. Jeden Monat schickten die Conollys ihm einen Scheck. John’s Freunde hatten ihm angeboten, die Summe zu erhöhen, doch davon hatte der Pfähler Abstand genommen. Wenn eben möglich, wollte er allein zurechtkommen. Er jagte nicht nur Vampire, sondern lebte auch noch von seinen Schmiedekünsten, doch die Kunden waren immer weniger geworden, und so mußte er schon rechnen.
Die Fassade des Hauses sah so gelb aus, daß sie schon beinahe blendete. Marek ging auf die grüne Tür zu, die halb offenstand, und betrat die Gaststube.
Vielleicht herrschte am Abend mehr Betrieb. Um diese Zeit jedenfalls war sie leer bis auf zwei Männer, die an einem der Tische saßen und Karten spielten. Es roch nach Essen, und aus der offenen Tür zur Küche war das Klappern von Geschirr zu hören.
Der Wirt saß hinter seiner Theke und las in einer Zeitung. Neben den Lampen hingen drei klebrige Fliegenfänger von der Decke, die fast schwarz von Fliegen waren.
Erst als Marek an die Theke herangetreten war, ließ der Mann mit dem dunklen Oberlippenbart die Zeitung sinken. Er grinste freundlich und sagte: »Sie haben Durst.«
»Genau. Und Hunger.«
»Da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse.«
»Wunderbar. Was gibt es?«
»Hähnchen.«
»Ich nehme eines.«
»Ganz oder halb?«
»Wie dick sind die Flattermänner denn?«
Der Schnauzbart lachte über den Ausdruck Flattermänner. »Nun ja, sie sind nicht eben klein.«
»Dann nehme ich ein halbes.«
»Auch Bier.«
»Nein, Wasser.«
»Wie Sie wollen.«
Marek setzte sich an einen Tisch und wartete. Das Wasser kam sehr schnell. Es wurde in einem Bierglas serviert. Danach verschwand der Wirt in der Küche und kam mit zwei halben Hähnchen zurück, die er den beiden anderen Gästen vorsetzte. Marek hatte schon einen Blick auf die Teller werfen können und war sehr zufrieden, was die Größe der Portion anging.
Das Wasser war kalt. Es erfrischte. Der Pfähler trank in kleinen Schlucken. Er hing dabei seinen Gedanken nach, die sich natürlich um die Vampire drehten. Mehr hatte ihm der Abt nicht gesagt, aber von einem großen Schrecken gesprochen, der ihn bald überfallen würde oder schon vorgekommen war. So genau hatte er sich nicht auslassen können oder wollen.
Als Marek das große Glas zur Hälfte geleert hatte, wurde auch das halbe Hähnchen serviert. Knusprig gebraten, lag es auf einem großen Teller. Zwei Scheiben Brot gehörten auch dazu.
»Dann wünsche ich Ihnen guten Appetit.«
»Danke.«
Marek ließ es sich schmecken. Der Flattermann war wirklich erste Sahne, gut gebraten, noch besser gewürzt, und Frantisek lobte den Wirt mehr als einmal.
»Dafür sind wir hier berühmt. Ich kaufe immer die besten aus den Batterien weg.«
»Batterien?«
»Nun ja, nicht so ganz. Sie werden zwar gezüchtet, aber sie laufen schon frei herum. Es sind Freunde von mir hier aus dem Ort,
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