Schrecken der Nacht
wurde.
Da das Tor geschlossen war, mußte Marek anhalten. Er stieg aus und schaute sich um.
Die Einsamkeit hier oben war perfekt. Wer sich hierher zurückgezogen hatte, der war vom Weltlichen ab. Sein Blick über die Kuppen und Berge hinweg entschädigte für die zahlreichen Mühen, aber in das Tal, aus dem er gekommen war, konnte er nicht schauen. Der dichte Bewuchs nahm ihm einfach die Sicht.
Der Tankwart und der Wirt hatten davon berichtete, daß sich niemand mehr hier oben aufhielt. Alles wies darauf hin. Es war kein menschlicher Laut zu hören. Marek hoffte, daß ihn der Abt nicht an der Nase herumgeführt hatte.
Erst jetzt fiel ihm die Stille auf. Gut, es war in den Mittagsstunden des öfteren ruhig, aber diese Stille hier war doch etwas anderes. Er empfand sie als Belastung. Sie war unheimlich. Das Licht der Sonne wirkte wie ein gleißender Schein, der sich über die gesamt Szenerie gelegt hatte und Marek blendete.
Dennoch rann ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Es war die innere Uhr, die ihn warnte. Die ihm sagte, daß diese Ruhe falsch wie Blendwerk war, und daß sich dahinter etwas Schreckliches verbarg.
Der Pfähler wunderte sich auch darüber, daß der Abt Reginus nicht erschienen war, um ihn zu begrüßen. Er dachte wieder an die Worte des Tankwarts und auch an die des Wirts. Sollte das Kloster tatsächlich von allen Mönchen verlassen worden sein, einschließlich des Abts, obwohl der Marek eine Nachricht hatte zukommen lassen?
Er konnte es sich nicht erklären und suchte nach einer Klinke oder einem Griff, um das Tor zu öffnen. Es gab keine Pforte, wie bei den normalen Klöstern so üblich, er mußte das Tor schon in seiner Gesamtheit aufstoßen.
Das schlechte Gefühl wollte nicht weichen. Frantisek Marek fühlte sich beklommen, glaubte von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden.
Er tastete nach dem Gegenstand, der ihm den Beinamen Pfähler gegeben hatte. Es war der alte Eichenpfahl, den er unter seiner Jacke verbarg. Zahlreiche Vampire hatten durch ihn ihr Dasein ausgehaucht, und ihr Blut hatte Spuren auf dem Holz hinterlassen. Längst war die Spitze nicht so blank wie früher, aber das Holz war perfekt, und er setzte den Pfahl als klassische Waffe lieber ein, als die Pistole mit den geweihten Kugeln, zu der ihm sein Freund John Sinclair geraten hatte.
An der rechten Türseite fand er den Griff. Es war mehr ein dicker Eisenbügel, der fest im dicken Holz der Tür verankert war.
Marek zog das Tor auf. Es ging einfacher als er dachte. Jemand hatte die Angeln geölt, und der Blick auf den Innenhof des Klosters wurde ihm durch nichts verdeckt.
Freie Sicht – und...
Sein Herz schlug plötzlich schneller, denn was er sah, war furchtbar und zugleich einmalig.
Der Abt hatte das Kloster nicht verlassen. Er saß auf dem Boden im Schatten einer Mauer. Es schien, als wollte er das große, neben ihm stehende Kreuz bewachen, das mit der Leiche eines Mannes geschmückt war...
***
Frantisek Marek gehörte zu den Menschen, die einiges in ihrem Leben durchgemacht hatten und auch nicht so leicht zu schocken waren. Doch dieser Anblick hier traf ihn wie ein brutaler Hammerschlag.
Er ging langsam auf den Abt zu, der seinen Besucher nicht wahrnahm, wie es schien. Er hielt den Kopf gesenkt, und das Kinn berührte beinahe seine Brust. Erst als Marek den Blick senkte, sah er das dunkle Blut, das sich auf der Kutte verteilte.
Er befürchtete, daß der Abt nicht mehr lebte. Zum Glück war es ein Irrtum. Beim Näherkommen hörte er die schwachen Atemzüge, die von einem Röcheln begleitet wurden. Auch das hörte sich schrecklich an, wie ein Kratzen im Hals.
Der Mann am Kreuz war tot. Einschüsse oder Messerstiche erkannte Marek nicht. Er sah das zerstörte Gesicht, auch der Schädel war zerschmettert.
Der Abt mußte die Nähe des Menschen gespürt haben. Er drehte den Kopf leicht zur Seite, so daß er Marek ins Gesicht schauen konnte.
Der Pfähler lächelte ihm zu. »Ich bin gekommen. Du hast mich gerufen, Reginus...«
Der Abt deutete ein Nicken an. Er war schon älter. Haare und Bart zeigten das Aussehen von grauem Staub. Seine glanzlosen Augen wirkten müde. Es war ein Wunder, daß er noch lebte. Er mußte einen ungemein starken Willen haben, und jetzt hatte er es geschafft, so lange am Leben zu bleiben, bis sein Besucher erschienen war.
»Ich werde versuchen, deine Wunde zu verbinden und erst einmal Wasser holen. Du mußt...«
»Nein, Marek, nein, das ist nicht mehr nötig. Ich bin froh, daß
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