Schrecken der Nacht
ich dich noch sehen kann, wirklich. Ich dachte schon, daß alles zu spät sein würde, aber...«, er hustete leicht, und Frantisek sah den Schaum vor seinen Lippen. Er hatte eine leicht rosige Farbe, und da wußte er endgültig, daß Reginus nicht mehr zu helfen war. Er hoffte nur, daß der Abt so lange lebte, um ihm einige Informationen über die oder den Täter zu geben. Marek holte aus der Tasche ein Tuch und tupfte die schweißfeuchte Stirn des Schwerverletzten ab. Der Abt zitterte. Seine Haut sah bleich und wächsern aus. In den Augen lag ein fiebriger Glanz. Marek sah die rissigen Lippen, auf denen noch der letzte Schleim lag, und er spürte auch die Berührung der kalten Hand, die nach seinen Fingern griff. Sie kam ihm vor wie eine Totenhand, aber sie zitterte noch. Als der Abt Luft holte, da war nicht mehr als ein Röcheln zu hören.
Marek wartete ab. Fragen brannten ihm auf der Seele. Er traute sich noch nicht, sie zu stellen. Reginus würde von sich aus reden, das stand für ihn fest. Tatsächlich sprach er, sehr leise, so daß Marek sich vorbeugen mußte, um ihn zu verstehen.
»Tot«, flüsterte er. »Sie... sie sind alle tot. Es gibt keine Überlebenden mehr. Er war da...«
»Wer bitte?«
»Eros!«
Der Pfähler glaubte, sich verhört zu haben, und er wiederholte fragend den Namen.
»Er ist der Schrecken der Nacht!« flüsterte Reginus. »Ein Untier. Einer, der Blut will...«
»Ein Vampir?«
Reginus blickte Marek an. In den Augen des Abts lag ein Ausdruck, der Frantisek irritierte. Es war keine Zustimmung, er sah mehr Zweifel darin, und er bemerkte auch, wie sich die Lippen des Verletzten verzogen. »Ich weiß es nicht...«
»Was kann er dann sein?«
»Er kam. Er hat gepfählt. Auch mich.« Der Schwerverletzte bäumte sich noch einmal auf. Energieströme schienen durch seinen Körper zu fließen. Der Blick klärte sich. »Er hat den Pfahl. Er kam. Er tötete. Alle, und zum Schluß war ich an der Reihe. Sie sind alle tot. Ich wäre es auch, aber irgendwie hat er es nicht geschafft. So kann ich leben. Noch kann ich leben...«
Frantisek Marek saß unbeweglich. Was er gehört hatte, war kaum zu glauben. Er wollte es nicht einsehen, daß jemand umherlief und Menschen pfählte, die keine Vampire waren. Er war der Pfähler, aber er würde sich hüten, diese Waffe gegen einen normalen Menschen einzusetzen.
Tief holte er Luft und flüsterte: »Bist du sicher, daß er die Menschen gepfählt hat?«
»Ja, das bin ich.«
»Du hast es gesehen?«
»Ja.«
»Und der Mann hier am Kreuz?«
Sie hatten sich in den letzten Sekunden unterhalten wie zwei normale Menschen. Der schwerverletzte Abt schien noch einmal einen Energiestoß erhalten zu haben, und glücklicherweise blieb sein Zustand noch bestehen. Da hatte sich das Schicksal auf seine Seite gestellt.
»Es war Bruder Radescu. Er hat ihn gejagt. Er wollte Eros vernichten. Er hat alles vorbereitet. Es sollte zum Kampf kommen, und es ist auch dazu gekommen. Aber Radescu hat verloren. Nicht Eros wurde an das Kreuz gebunden, wie es vorgesehen war, sondern unser Bruder. Und mit dem Kreuz zusammen hat man ihn in die Tiefe gestürzt. Sein Körper wurde zerschmettert. Er hatte keine Chance mehr, zu überleben. Schau ihn dir an. Er ist...«, der Abt verstummte und hustete wieder. Marek befürchtete schon, daß es mit ihm aus war, doch Reginus riß sich noch einmal zusammen. »Ich habe ihn in der Schlucht gefunden, und ich habe ihn auch hergeschafft. Aber es war nicht alles. Als ich in das Kloster zurückkehrte, ist er schon hier gewesen. Er hat sie gepfählt. Alle.«
»Deine Mitbrüder?«
»Ja, die letzten vier. Wir wollten das Kloster aufgeben. Jetzt sind sie tot.«
»Hast du noch etwas tun können?« wollte Frantisek wissen.
Der Abt deutete ein Kopfschütteln an. »Ich war... ich war... so geschockt. Ich konnte nichts mehr tun. Es war unmöglich. Ich traf ihn dann hier auf dem Hof. Er lachte mich aus. Ich wollte mit ihm reden, ich wollte ihn auch aufhalten, aber er war schneller. Daß ich noch lebe, ist ein Wunder. Vielleicht hat es der Herrgott so gewollt, daß ich dir noch etwas mitteilen kann. Radescu ist wichtig für dich, mein Freund. An ihn mußt du denken. Er hat sich mit dem Schrecken der Nacht beschäftigt. Er weiß viel über ihn.«
»Aber er ist doch tot.«
»Ja... ja...«, flüsterte der Abt mit sehr schwacher Stimme. »Doch er hat etwas hinterlassen. Es ist eine Aufzeichnung. Es ist ein Tagebuch oder Ähnliches. Er hat viel über den Schrecken
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