Schrecken der Nacht
der Nacht zusammengetragen. Ich hoffe, daß es noch vorhanden ist. Bitte, such in der Zelle nach...«
»Werde ich tun. In welcher?«
Es sah so aus, als wollte der Abt noch eine Antwort geben, doch er war nicht mehr in der Lage dazu. Sein Mund öffnete sich zwar weit, und die Augen wurden wieder zu blassen Kugeln, aber das war auch alles. Mehr schaffte er nicht. Ein lautes und auch jammervolles Seufzen, dann war es mit ihm vorbei.
Erst jetzt bemerkte Marek, daß er noch immer die Hand des Mannes festhielt. Der Druck der anderen Finger war nicht zu spüren. Die Hand war schlaff geworden.
Als Marek in das Gesicht des Toten schaute, da sah er auf den Lippen ein Lächeln. Es schien, als hätte der Abt in den letzten Sekunden seines Lebens noch einen großen Triumph erlebt. Jetzt war er mit einer gewissen Zufriedenheit gestorben.
Frantisek, der gekniet hatte, stand langsam auf. Er war etwas steif geworden. Ständig huschte ein Name durch seinen Kopf. Eros. So hieß die Bestie. Oder auch Schrecken der Nacht.
Marek hatte nie davon gehört. Er wußte nicht einmal, ob es sich bei dieser Gestalt um einen Vampir oder um einen Menschen handelte. Einiges sprach dafür, einiges auch dagegen. Der Abt hatte an einen Vampir gedacht, doch ein Blutsauger, der mit den gleichen Waffen tötete, mit denen auch seinesgleichen zur Hölle geschickt wurden, das war Marek auch noch nicht untergekommen.
Für ihn zählten am meisten die letzten Worte des Sterbenden. Er hatte von seinem Mitbruder Radescu gesprochen. Dieser Mönch war derjenige gewesen, der sich um den Schrecken der Nacht gekümmert hatte. Marek brauchte nur einen Blick nach rechts zu werfen, um zu sehen, wer dieser mutige Mann gewesen war.
Er hatte alles versucht und verloren. Jetzt hing er am Kreuz, mit dem zusammen er in die Tiefe geschleudert worden war. Ihn hatte man nicht zu pfählen brauchen.
Marek hatte bisher im Schatten gestanden. Er verließ ihn jetzt und trat wieder hinein in die Strahlen der Sonne, die heiß auf den Innenhof des Klosters brannten.
Das Gebäude war nicht sehr groß. Auch nicht unbedingt hoch. Es gab eine Mauer, die den Innenhof umschloß und von dieser Mauer abgehend zwei Bauten, die in einem flachen Winkel aufeinander zuliefen. Genau dort, wo sie sich trafen, befand sich auch der Eingang.
Marek visierte ihn an. Er ging durch die Stille. Der Staub quoll unter seinen Füßen hoch. Das Gestein hatte die Wärme aufgesaugt und gab es jetzt wieder ab. Deshalb konnte sich die Hitze hier auf dem Hof sammeln.
Er hörte das Summen der Fliegen. Es war irgendwie alles anders geworden. Sehr fremd, und Marek fühlte sich allein.
An der Tür blieb er stehen. Er drehte sich um. Schaute noch einmal zurück. Er ließ seinen Blick auch über die Mauern gleiten, aber es gab niemanden, der ihn beobachtet hätte. In diesem Kloster regierte nur noch einer – der Tod.
Die Tür ließ sich leicht aufziehen, und Marek gelangte in den kühleren Bereich.
Es war jetzt wichtig für ihn, das Tagebuch zu finden.
Nicht alle Klöster auf der Welt waren so spartanisch eingerichtet wie dieses hier. Marek befand sich in einem hallenartigen Raum. Durch schmale Fenster kroch das Licht und hinterließ auf dem Boden bleiche Gebilde. Er sah einen Flur, der in die Tiefe des Gebäudes führte und ging davon aus, daß er genau diesen Weg nehmen mußte, um in den Bereich der Zellen zu gelangen.
Im Bereich des Eingangs stand kein Möbelstück. Er sah auch kein Kreuz und keine Bilder an den Wänden. Es war nichts da, was dem Kloster eine persönliche Note gegeben hätte. Auf der anderen Seite auch verständlich, denn dieser Ort hier hatte aufgegeben werden sollen, und da waren sicherlich alle Vorbereitungen getroffen worden.
Marek trat in den Gang hinein. Er war recht schmal, aber nicht dunkel. Durch die schmalen, schon lukenhaften Fenster an der Seite drang das Licht und fiel bis an die gegenüberliegende Wand. In bestimmten Abständen reihten sich die Zellentüren aneinander.
Hinter einer dieser Türen mußte auch Bruder Radescu gewohnt haben. Namen las er nicht, und so ging er den Gang bis zu seinem Ende durch. Er war überrascht, die zweiflügelige Tür offen zu sehen. Vor ihr blieb er stehen, und sein Blick fiel in eine Kapelle, in der zahlreiche Kerzenlichter brannten und ihren Schein über den Boden und die schlichten Bänke fließen ließen.
Auf den ersten Blick war die Kapelle leer. Marek aber ging weiter und sah den Altar deutlicher. Er stand auf einem Podest und war mit
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