Schrecken der Nacht
bezeichne...«
Mit dem letzten Wort endete auch der Text auf der ersten Seite, und Marek blätterte um. Er las noch nicht weiter, sondern dachte zunächst über das nach, was er gelesen hatte.
Eros – Schrecken der Nacht. Zwei Begriffe, die ihm alles andere als neu waren. Im Text war nicht einmal das Wort Vampir aufgetaucht, und es gab auch keine Verbindung zum Blut, zur Nahrung der Vampire. Aber der Mönch hatte Eros als Phänomen bezeichnet, und da mußte einfach die Lösung liegen.
In der Zelle war es recht kühl. Marek fand diesen Platz in Ordnung. Er verspürte keine Lust, in die Hitze des Klosterhofs zu gehen. Er wollte das Tagebuch hier durcharbeiten.
Er blätterte es kurz durch. Insgesamt zwölf beschriebene Seiten umfaßte das Tagebuch.
Er blätterte wieder zurück bis zur Seite zwei und wollte anfangen. In diesem Augenblick hörte er das Geräusch...
***
Sofort war das Tagebuch vergessen. Marek lauschte angespannt und legte das Tagebuch neben sich auf das schmale Bett.
Irrtum oder nicht?
Der Pfähler war sich da nicht ganz sicher. In dieser stillen Welt konnten ihm die Nerven leicht einen Streich spielen. Es war einfach zu viel auf ihn eingestürmt.
Und so wartete er zunächst ab. Die vier Mönche in der Kapelle lebten nicht mehr. Er glaubte nicht, daß sie als lebende Leichen durch das Kloster irren würden, und auch die beiden draußen auf dem Vorhof waren tot.
Entweder befand sich ein Tier im Haus, ein Hund oder eine Katze, oder jemand war gekommen, um das Kloster zu besuchen. Wenn das zutraf, dann mußte dieser Bursche auch verdammt gut Bescheid wissen, und da fiel Marek nur der Name Eros ein.
Etwas kribbelte in seinen Fingern. Die Enge der Zelle empfand er jetzt noch schlimmer. Es gab zwar das Fenster, doch als Fluchtweg eignete es sich nicht. Wenn er rauswollte, dann durch die Tür, aber hinter ihr, versteckt im Gang, konnte durchaus das Grauen lauern. Warten. Die Nerven behalten. Sich vorbereiten. Er tastete nach seinem Pfahl und holte ihn aus der Schlinge hervor.
Er legte ihn neben seinen rechten Oberschenkel. Die Pistole ließ er versteckt. Im Notfall würde er sie schnell genug ziehen können. Das Geräusch wiederholte sich. Marek wußte nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Er hatte nun die Gewißheit erhalten, nicht mehr als einziger im Kloster zu sein.
Es näherte sich der Tür, die Marek nicht wieder geschlossen hatte. Er achtete jetzt auf jeden Laut und identifizierte die Geräusche als Schritte.
Sie kamen von links, vom Eingang her, und sie bewegten sich in seine Richtung. Er spürte im Nacken das kalte Gefühl und zugleich auch die Gewißheit, daß er in wenigen Sekunden vor einer verdammt wichtigen Entscheidung stand.
Keine Stimme, nur die verdammten Schritte. Jemand schlich durch das Kloster.
Dann hörte er nichts mehr.
Marek hielt den Atem an. Eine kalte Perle aus Schweiß rann über seinen Rücken hinweg, um irgendwo zu versickern. Es waren für ihn die Sekunden vor dem Knall. Er wußte genau, daß es nicht vorbei war und stellte sich vor, daß der andere auf ihn gewartet hatte.
Jemand drückte gegen die Tür.
Sie schwang nach innen.
Das leise Kratzen begleitete sie, und sie öffnete sich zum Gang hin wie ein starrer Vorhang.
Der Ausschnitt war groß genug, um Marek das erkennen zu lassen, was wichtig war.
Im Türrahmen und leicht geduckt stand dort eine wuchtige und unheimliche Gestalt.
Es war der Schrecken der Nacht!
***
Marek wußte es, kaum daß er ihn gesehen hatte.
Die große Gestalt hatte ihren Körper in dunkle Kleidung gehüllt. Eine schwarze Hose, ebensolche Jacke, unter der sich aber der Stoff eines hellen Hemdes aufbeulte. Die Flecken darauf waren kein Teer, sondern Blutreste. Das Hemd entsprach einem altertümlichen Modeschnitt. Es war mit Rüschen verziert, die wie helle Blumen aus den Ärmellöchern hervorschauten.
Es folgten die Hände, von denen Marek seinen Blick einfach nicht lösen konnte. Sie waren etwas Besonderes, was nicht einmal an ihrer Form lag, sondern eher an den langen und auch dunklen Fingernägeln, als wären sie mit schwarzer Farbe bemalt worden. Er hielt sie vorgestreckt wie Klauen und dabei halb erhoben. Überhaupt wirkte die Gestalt wie ein sprungbereites Raubtier, das sich jeden Augenblick abstoßen konnte, um auf das Opfer zuzuschnellen.
Marek hatte sich gut in der Gewalt. Ein anderer wäre vielleicht in die Höhe geschnellt und hätte versucht, die Flucht zu ergreifen, doch er kannte sich in der Familie
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