Schrecken der Nacht
es wird mich auch über dich aufklären. Ich weiß noch immer nicht genau, wer du bist, aber ich werde es herausfinden.«
Eros gab keine Antwort. Aber er war gespannt und wirkte wieder wie jemand, der auf dem Sprung steht. In seinen Augen schimmerte es. Die rote Farbe trat deutlicher hervor, jede Ecke der Pupillen schien sich mit dünnem Blut zu füllen. Das Pendel hatte ihn etwas aus der Fassung gebracht. Es war ihm neu, und er war nicht in der Lage, es einzuordnen. Aber er tat nichts, denn seine Neugierde überwog. Er wollte die Funktion ergründen.
Frantisek Marek hielt das Pendel so, daß er auf das Gesicht schauen konnte. Die Sekunde der Wahrheit war nicht mehr weit entfernt.
Plötzlich war die Stille in der Zelle wieder sehr dicht geworden. Es gab nur die beiden Personen und eben das Pendel, auf das sich beide Augenpaare gerichtet hatten.
Langsam geriet es in die ersten Schwingungen. Sie waren noch nicht sehr weit, sondern erst am Beginn. Es schlug zuerst nach rechts aus, bekam den Schwung nach links, pendelte wieder zurück und behielt seine Bewegungen bei, die jetzt stärker ausschwangen.
In Mareks Gesicht bewegte sich nichts. Er wußte nicht, wie es Eros erging, er jedenfalls hielt seine Blicke direkt auf das Augenpaar des stilisierten Zigeunerinnen-Gesichts gerichtet, denn genau dort würde sich die Wahrheit abzeichnen.
Es reagierte, wenn ein Blutsauger in der Nähe war. Die Augen würden ihre dunkle Farbe verlieren und einen roten Schein annehmen. Je näher der Vampir entfernt war, um so intensiver würde der Schein leuchten.
Marek wartete und saß ruhig. Nur die Augen verfolgten die Bewegungen des ovalen Steins. Er merkte, daß sich so etwas wie Enttäuschung in ihm ausbreitete, denn er hatte damit gerechnet, die rote Glut in den Augen zu sehen.
Sie entstand nicht.
Er warf einen Blick auf Eros.
Er lehnte ihm gegenüber an der Wand und schaute ebenfalls auf das Pendel. Das Gesicht auf dem Stein sah er nicht. Das blieb allein Frantisek Vorbehalten.
Und er sah einen ersten Erfolg.
Plötzlich war der rote Schimmer da. Er hielt sich in beiden Augen auf, aber war zugleich so schwach, daß Marek ihn auch für eine Täuschung hätte halten können.
Das Schimmern entstand und war einen Moment später wieder verschwunden, als hätte Marek es sich nur eingebildet.
Der Pfähler war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, in diesem Fall spürte er jedoch eine Unsicherheit im Umgang mit dem Vampirpendel, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte.
Warum erschien das Leuchten und verschwand Augenblicke später wieder wie eine Täuschung?
Frantisek konzentrierte sich auf die Pendelbewegungen des Steins. Immer wenn er den höchsten Ausschlag erreicht hatte, leuchtete das Augenpaar auf dem Stein für einen Moment auf, um dann, bei der Gegenbewegung, wieder zu verschwinden.
Vampir, kein Vampir?
Marek gelangte zu dem Entschluß, es hier mit einem Phänomen zu tun zu haben. Der Mönch Radescu war davon ausgegangen, es mit einem Blutsauger zu tun zu haben, doch auch er schien sich geirrt zu haben.
Irgend etwas war hier faul.
Marek ließ das Pendel ausschwingen. Er konnte nicht behaupten, daß er sich jetzt wohler fühlte. Statt dessen kam er sich vor wie jemand, der dicht an einer Wand stand, es aber trotz der eingesetzten Kräfte nicht schaffte, sie zu durchbrechen.
Der Stein schwang aus, und Marek ließ das Pendel in seiner Jackentasche verschwinden. Er wollte sich seine Enttäuschung nicht anmerken lassen. Fieberhaft suchte er nach einer Erklärung, warum die Augen hin und wieder diese rötliche Farbe gezeigt hatten. Da mußte etwas vorhanden gewesen sein, das er gedanklich nicht in den Griff bekam. Jetzt hatte er schon seit Jahren die Blutsauger gejagt und war der Meinung gewesen, daß ihn nichts mehr überraschen konnte, und nun mußte er dieses Phänomen, gewissermaßen das Versagen des Vampirpendels, erleben.
Eros hatte sich bisher zurückgehalten. Erst als das Pendel wieder verschwunden war, ergriff er das Wort. »Was sollte das? Bist du jetzt schlauer geworden?«
»Vielleicht.«
»Nein! Nein!« widersprach Eros heftig. »Du bist nicht schlauer geworden. Es ist unmöglich. Du kannst es nicht sein. Du bist ebenso schlau wie der Mönch, der mich auf spektakuläre Art und Weise hat töten wollen. Er hat sich geirrt. Dabei hatte er alles so gut vorbereitet, doch ich bin besser gewesen.« Eros lachte kichernd. »Hast du ihn eigentlich gesehen, Marek?«
»Ja, auf dem Hof.«
»Ich war für das Kreuz
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