Schrecken der Nacht
Wenn ja, dann hätte er die Bewegung seiner rechten Hand nicht zugelassen, und die Pistole mit den geweihten Kugeln war die einzige Chance.
Die linke Hand drücke Eros gegen Mareks Kehle. Er holt mit der rechten aus. Sein Blick war einzig und allein auf das Gesicht des Pfählers konzentriert, die rechte Hand und deren Bewegung sah er nicht.
Marek spürte den Griff der Waffe.
Er zerrte sie hervor, und plötzlich riß er die Hand hoch, und Eros glotzte in die Mündung.
Er erstarrte.
Auch die rechte Hand bewegte sich nicht. Sogar der Griff um die Kehle lockerte sich, so daß Marek es schaffte, zu sprechen, wenn auch sehr leise. »In einer Sekunde hast du mich losgelassen. Wenn nicht, zerschieße ich dir das Gesicht!«
Eros wußte, woran er war. Er zuckte zurück. Mit einer geschmeidigen Bewegung stand er auf und ging nach hinten. Marek hörte ihn fluchen. Er wußte plötzlich nicht mehr, was er tun sollte, und in der gleichen Zwickmühle befand sich auch der Pfähler.
Wäre er sicher gewesen, einen Vampir vor sich zu haben, er hätte sofort geschossen.
Aber er war es nicht. Sein Pendel hatte ihn verunsichert, und so zögerte er.
Der Pfähler richtete sich auf. Im Liegen kam er sich zu wehrlos vor. Die Waffe machte die Bewegung mit, und er sah wie der Schrecken der Nacht immer weiter im Hintergrund des Ganges zurückwich.
»Stehenbleiben!«
Eros dachte nicht daran. Er lachte nur. »Ich werde dein Blut trinken!« schrie er dann. »Hüte dich vor dem Schrecken der Nacht, Pfähler. Hüte dich davor!«
Es waren genau die Worte, die Frantisek gefehlt hatten, um seine Hemmung zu überwinden.
Jetzt schoß er.
Er hörte den Knall, er sah die Schattengestalt vor sich. Er sah, wie sie sich duckte, wie sie im Zickzack weiterrannte auf die Kapelle zu, und er schickte ihr noch eine Kugel nach.
Marek schoß noch einmal.
Abermals traf er nicht, und wenig später hatte es Eros geschafft und war in der Kapelle verschwunden.
Marek war wütend über sich selbst. Er hätte ihm doch ins Gesicht schießen sollen, aber da hatte er noch nicht gewußt, was ihm jetzt bekannt war.
Eros hatte es zugegeben. Er war ein Vampir. Aber er war kein normaler, das stand für den Pfähler auch fest. Er war jemand, der ihm noch großen Ärger bereiten würde.
Frantisek mußte sich an der Wand abstützen. Ihm war schwindelig. Der Aufprall des Kopfes an der Wand und später am Boden hatte Spuren hinterlassen.
Natürlich dachte er an eine Verfolgung. Marek gab nicht so leicht auf. Doch er sah ein, daß er in seinem Zustand nicht viel erreichen konnte.
Der Gang lag frei vor ihm. Die Tür zur Kapelle war wieder zugefallen. Es herrschte eine bedrückende Stille. Die Waffe in der Hand kam ihm schwer vor wie ein großes Stück Eisen. Sie zog seinen Arm nach unten. Mit unsicheren Schritten ging er zurück in die Zelle, in der er gesessen hatte. Zuvor hatte er noch seinen Pfahl an sich genommen. Wieder setzte er sich auf das Bett, auf dem noch das Tagebuch des ermordeten Mönchs lag.
Für Marek war es wichtiger denn je. Auf den noch nicht gelesenen Seiten würde er mehr über den Vampir erfahren und vielleicht das Rätsel seiner Existenz ergründen können. Das Heft fand in der Innentasche Platz. Kopfschmerzen strahlten bis in seinen Nacken hinein. Er fluchte noch immer über sich selbst, und er wußte, daß die Jagd wieder von vorn beginnen würde. Diesmal war Eros gewarnt, und er würde sich raffinierter anstellen.
Obwohl Frantisek nicht viel Sinn darin sah, nahm er den gleichen Weg wie Eros. Er ging nur langsamer und auch wachsamer. Die Waffe hielt er schußbereit.
Aus der Kapelle wehte ihm die Kühle des Todes entgegen. Draußen drängte sich das helle Licht gegen die Fensterscheiben und übergoß das Innere der Kapelle mit mondlichtähnlichem Schein.
Er sah die vier Toten im Licht liegen. Nur die obere Hälfte der Körper wurde angeleuchtet, und auch das eingetrocknete Blut hatte eine andere Farbe bekommen.
Marek ging weiter. Seine Blicke waren überall. Er suchte den Feind und fand ihn nicht.
Dafür entdeckte er eine offene Seitentür. Durch sie gelangte man ins Freie außerhalb des Mauerwerks. Marek wußte jetzt, welchen Fluchtweg Eros genommen hatte.
Das helle Licht der Junisonne blendete ihn. Noch immer konnte er sich nicht vorstellen, daß es ein Vampir schaffte, bei diesen Bedingungen zu überleben.
Es mußte wohl so sein, sonst wäre ihm der Blutsauger nicht begegnet. Marek zog sich wieder zurück. Er wußte jetzt, was er zu tun
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