Schrecken der Nacht
hatte. Er würde durch einen anonymen Anruf bei der Polizei dafür sorgen, daß die Leichen weggeschafft wurden. Den Beamten großartig etwas erklären zu wollen, hätte keinen Sinn gehabt.
Bevor er das Kloster verließ, schloß er allen Toten die Augen. Mehr konnte er nicht für sie tun...
***
Ein Jahr später!
Es war die Zeit des ausgehenden Sommers, aber in Rumänien hatte sich die Hitze noch gehalten. Marek, der Pfähler, war weiterhin seinem Job nachgegangen, aber er war in den vergangenen zwölf Monaten nicht sehr zufrieden gewesen, denn es war ihm nicht gelungen, Eros oder den Schrecken der Nacht zu stellen.
Dafür hatte er einige andere Erfolge errungen, aber der Gedanke an Eros war nie aus seinem Kopf verschwunden. Sein Abtauchen sah Marek als persönliche Niederlage an.
Er hatte das Tagebuch gelesen. Nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, und er war dabei einem Phänomen auf die Spur gekommen. Er wußte jetzt, wie er Eros einzuschätzen hatte. Er konnte ihn nicht als Menschen bezeichnen und auch nicht als Vampir.
Eros war beides!
Tagsüber Mensch, in der Nacht mutierte er zu einem Blutsauger. Er war ein Mensch-Vampir. Etwas Ungeheuerliches, wenn man den Faden weiter spann. Eine Bestie, die als solche nicht zu erkennen war, die am Tage so normal auftrat wie jeder andere Mensch und sich erst in der Nacht verwandelte.
Ein wirklicher Schrecken der Nacht!
Durch diesen perversen Dualismus gelang es Eros, andere Menschen zu täuschen. Er konnte sich tagsüber einschleichen und zeigte erst bei Dunkelheit sein wahres Gesicht.
Aber er war nicht zu fassen.
Der Schrecken der Nacht blieb ein Phantom. Daß er Blut gesaugt hatte, davon ging Marek aus. Nur gab es keine Berichte über seine Opfer, die in der Finsternis ebenfalls auf die Suche nach Blut gingen. Es konnte auch sein, daß sich Eros jenseits der Öffentlichkeit bewegte und sich nicht mehr in Rumänien befand und woanders seine Opfer suchte.
Jedenfalls war der Pfähler frustriert und konnte auch innerhalb eines Jahres seine Niederlage nicht überwinden.
Bis zu dem Tag, als ihm zufällig eine englische Zeitung in die Hand fiel. Das Blatt gehörte zur Yellow Press und berichtete von den Schicksalen und dem »schweren« Leben der Reichen und Schönen auf dieser Welt, die sich natürlich gern zusammen mit ihren Statussymbolen abbilden ließen.
Ob Autos, Häuser, schöne Frauen, in Fitneß-Studios gestylte Männer, prächtige Hotels und Häfen mit teuren Yachten. Es war eine Welt, die Marek nicht kannte und auch nicht kennenlernen wollte. Schöner Schein, wenig Sein, und sich nur produzieren, um von den anderen anerkannt zu werden.
Trotzdem blätterte er die Gazette durch, als er vor seinem Haus saß und das Licht des Tages sich allmählich verabschiedete, als wäre es von den Wäldern um Petrila herum verschluckt worden.
Plötzlich stutze Marek.
Er hatte auf einer Seite ein Bild gesehen, dessen Anblick ihm den Atem verschlug. Es ging nicht um den Hintergrund, der einen Strand an der Côte d’Azur zeigte, ihm waren die Personen wichtiger, die sich hatten ablichten lassen.
Auf einem der Boote waren drei Personen zu sehen. Ein Mann und zwei Frauen. Der Mann hatte seine Arme um die nackten Schultern der Bikini-Girls gelegt. Er war braungebrannt, und er lächelte breit in die Kamera.
Er sah auf seine Art und Weise gut aus. Sicherlich flogen die Frauen auf ihn. So ein Latin Lover war ja in den letzten Jahren in Mode gekommen, und zu dieser Spezies zählte auch er.
»Eros«, flüsterte Marek. »Das darf doch nicht wahr sein!« Er konnte es nicht glauben und schaute noch einmal hin.
Es stimmte. Es gab keinen Zweifel. Das war Eros und zugleich der Schrecken der Nacht.
Es dauerte eine Weile, bis Marek die Überraschung verdaut hatte. Gerechnet hatte er mit einer derartigen Offenbarung nicht. Plötzlich kam ihm wieder alles in den Sinn. Das Kloster, die Toten, deren Ableben die Polizei nicht hatte aufklären können. Zudem war auch in der Öffentlichkeit verschwiegen worden, was sich da in dem Kloster ereignet hatte. Aber er dachte auch an das Tagebuch, das er gelesen hatte.
Eros war Mensch und Vampir!
Tagsüber Mensch, wie auf dem Bild zu sehen, in der Nacht erfolgte dann die Verwandlung.
Noch einmal schaute er auf das Foto. Er konnte sich leicht vorstellen, wie Eros sich bei Dunkelheit an die beiden Schönen heranmachte und ihr Blut trank.
Danach erst las er den Text. Eros wurde sogar mit Namen erwähnt. Man bezeichnete ihn als den
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