Schrecken der Nacht
einem dieser Klatschblätter entdeckt, und dabei waren ihm die Augen geöffnet worden. Er trieb sich an der Côte d’Azur herum und war dort in den Kreis der so illustren und oberflächlichen High Society als Latin Lover aufgenommen worden und mußte sich auch dementsprechend benehmen, wie ich der Beschreibung des Fotos entnahm.
»Und er wird weitermachen!« behauptete der Pfähler. »Ich weiß es. Er kann sich wahnsinnig gut verstellen. Aber sein Ziel läßt er nicht aus den Augen.«
Ich fühlte mich plötzlich wieder völlig nüchtern. Die Lockerheit war dahin. Der Job hatte mich in diesem Augenblick zurückgewonnen.
»Sein Ziel...?«
»Genau, John.«
»Ein Vampir will das Blut der Menschen trinken, um seine Existenz zu sichern.«
»Genau das ist es.«
»Aber wenn er das tut, hätte es schon längst auffallen müssen. Dann wäre an der Küste Südfrankreichs die Vampirpest ausgebrochen. Als Freund der Reichen und Schönen stehen ihm dort alle Türen offen.«
»Ja, das hätte eigentlich so sein müssen, doch man kann ihn nicht mit normalen Maßstäben messen.«
»Warum nicht?«
»Ich will es dir sagen. Ein Vampir, der pfählt und seine Opfer nicht blutleer trinkt, muß anderes im Sinn haben.«
Da hatte er prinzipiell recht, doch mir schoß zugleich eine Alternative durch den Kopf. »Wer sagt dir denn, Frantisek, daß er das Blut nicht getrunken hat? Er kann sich gesättigt haben und hat danach seine Opfer gepfählt wie ein Vampirjäger. So kann man zugleich Spuren verwischen. Hast du daran auch gedacht?«
Es wurde zunächst still.
Ich wußte, daß sich Marek mit dieser Möglichkeit noch nicht angefreundet hatte. Schließlich meinte er: »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, John. Das hätte ich doch sehen müssen. Ich meine, ich habe die Leichen gefunden und...« Er schwieg und war sich wohl nicht sicher.
»Hast du sie denn genau untersucht?«
»Sehr genau nicht.«
»Du hast keine Bißstellen an ihrem Hals entdeckt?«
Er räusperte sich. »Nein. Ich sah nur die Wunden, die der Pfahl hinterlassen hat. Vielleicht habe ich auch nicht gut genug geschaut, das ist schon möglich, und es wäre dann auch mein großer Fehler gewesen.«
»Lassen wir das mal hintenan, Frantisek. Ich frage mich, wie ein Vampir dazu kommt, auf eine derartige Art und Weise zu handeln.«
»Das ist ein Problem.«
»Für das du keine Lösung hast.«
»Nicht direkt, John. Nur einen Hinweis.«
»Und der wäre?«
»Daß dieser Eros kein richtiger Vampir ist, sondern mehr ein Zwitter. Verstehst du?«
»Nein.« Das war nicht gelogen, denn mit dieser Erklärung hatte ich so meine Probleme.
»Es ist nicht einfach, und wir beide müssen umdenken«, sagte der Pfähler. »Ich habe etwas gefunden. Das Tagebuch eines Mönchs, der sich mit diesem Eros beschäftigt hat. Er hat aufgeschrieben, was er über ihn erfahren hat, und dabei ist herausgekommen, daß man Eros nicht als normalen Vampir bezeichnen kann.«
»Was ist er dann?«
»Ein Zwitter. Ein Mittelding zwischen Mensch und Vampir, der in dem Kloster versteckt und großgezogen wurde, in dem er letztendlich seine schrecklichen Taten begangen hat. Der Vater muß ein Vampir gewesen sein, die Mutter eine normale Frau. Frag mich nicht, wie es geschehen konnte, aber aus dieser Verbindung ist Eros entstanden, und wenn du ihn siehst, dann kommst du nicht auf den Gedanken, daß er ein Blutsauger sein könnte. Ich weiß, was ein Latin Lover ist, denn ich lebe trotz allem nicht hinter dem Mond. Und dieser Typ sieht tatsächlich so aus. Ich will jetzt keine bekannten Show-Größen als Beispiele nennen, aber ich kann mir vorstellen, daß er es leicht bei Frauen hat und damit auch leicht bei seinen potentiellen Opfern.«
Für Frantisek Marek war dies eine lange Rede gewesen, die auch mich nicht unbeeindruckt gelassen hat. »Okay, ich weiß, daß du dich nicht aufspielen willst, aber von Eros hast du mir nie berichtet.«
»Wer gesteht schon gern seine Niederlagen ein?«
»Das stimmt auch wieder.«
»Jetzt brennt die Hütte. Allerdings kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob schon etwas in Südfrankreich passiert ist. Wir sollten allerdings davon ausgehen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.«
»Die mit einer Reise zu tun haben?«
»Ja. Wenn es eben möglich ist, sofort.«
»Ich rufe dich zurück.«
»Danke, John, bis gleich.«
Als die Verbindung unterbrochen war, merkte ich, daß mich das Gespräch mit Marek leicht ins Schwitzen gebracht hatte. Auch die beiden Conollys
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