Schrecken der Nacht
»Hier kann man es aushalten«, sagte er, den Rauchwolken nachschauend.
Ich konnte mir einen derartigen Kommissar bei uns in London kaum vorstellen. Hier im Süden betrachtete man das Leben aus einem anderen Blickwinkel, und der mußte nicht einmal schlechter sein.
Dupont lächelte breit, als die Getränke gebracht wurden. Die Wirtin stellte auch ein Tablett mit sechs Gläsern auf den Tisch, und Dupont ließ sie erst gehen, nachdem er den Wein probiert und ihn für gut befunden hatte.
»Wirklich, es lohnt sich, ihn zu trinken«, animierte er uns.
Wir kamen seiner Bitte nach, nahmen aber auch Wasser. Ich lobte den Wein ebenso wie Bill, und der gute Dupont lehnte sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück. Er fing wieder an zu philosophieren. »Eigentlich könnte das Leben noch schöner sein, wenn es nicht die verdammten Bastarde geben würde, die es uns versauern.«
»Sie denken an die Verbrecher.«
»Bestimmt nicht an die Frauen.« Er lachte. »Und wegen eines Verbrechers sind Sie ja hier.«
»Er heißt Eros.«
Der Kollege süffelte seinen Wein. »Ein ungewöhnlicher Name, in der Tat. Was wissen Sie sonst noch über ihn?«
»Nicht viel.«
»Wie sieht er aus?«
Bill und ich zuckten zugleich mit den Schultern.
»Das ist noch weniger als nicht viel.« Dupont räusperte sich. »Könnte ich etwas von einem Vampir erfahren haben oder habe ich mich da verhört?«
»Nein, das haben Sie nicht«, sagte Bill.
»Dann jagen Sie oder jagen wir also einen Vampir.«
»Exakt.«
Dupont sagte zunächst nichts. Er hob nur sein Glas an und meinte dann: »Darauf muß ich einen Schluck nehmen.«
»Tun Sie das.«
Er stellte das Glas wieder weg, kaute den Wein noch nach und sagte dann: »Ich habe es in meiner recht langen beruflichen Laufbahn schon mit vielen Verbrechern und Gesetzesbrechern zu tun bekommen, aber ein Vampir befand sich nie darunter.« Er schaute uns mit einem scharfen Blick an, den wir von ihm gar nicht gewohnt waren. »Kann es nicht doch sein, daß ich mich verhört habe?«
»Leider nein«, sagte ich. »Sie können es glauben oder auch lassen, aber wir haben es leider als Polizisten wie Sie schon oft genug mit diesen Wesen zu tun bekommen.«
»Hm.« Er ließ sich wieder Zeit. »Eigentlich müßte ich Sie auslachen, aufstehen und gehen, aber das tue ich nicht, denn ich habe von oben die Order bekommen, mich um Sie zu kümmern, und ich weiß auch, welchem Job Sie nachgehen und wie man Sie nennt. So einiges hat sich schon herumgesprochen, deshalb werde ich mich auch hüten, mich über das zu amüsieren, was Sie hier behaupten. Aber ich weiß zu wenig, deshalb würde ich es begrüßen, wenn Sie mich einweihen könnten.«
»Gern.« Ich lächelte ihn an. »Sie wissen sicherlich, was Vampire im Sinn haben und wie sie sich ihre Opfer holen.«
»Ja, durch Bisse in die Kehle.«
»Genau.«
»Aber das ist hier nicht vorgekommen.«
»Leider oder Gott sei Dank nicht, muß ich da sagen. Was aber trotzdem nicht bedeuten muß, daß dieser Eros hier nicht sein Unwesen treibt. Lachen Sie mich nicht aus, wenn ich Ihnen noch etwas verrate. Er scheint ein Zwitter zu sein. Halb Mensch auf der einen und halb Blutsauger auf der anderen Seite.«
»Akzeptiert. Und weiter?«
»Er könnte dann auch auf eine andere Weise getötet haben. Deshalb meine Frage. Haben Sie in diesem Sommer Menschen entdeckt, die auf eine mysteriöse Art und Weise ums Leben gekommen sind, und wo Sie und Ihre Kollegen praktisch vor einem Rätsel stehen?«
Dupont nickte gegen sein Glas, das er angehoben hatte.
»Eine gute Frage, Kollege.«
»Und wie gut ist die Antwort?«
Er mußte zunächst einmal einen Schluck trinken. Dann schaute er auf den Fliesenboden, auf den die Sonne Kringel gemalt hatte. Ich sah seine Miene nachdenklich werden. »Sie haben irgendwie recht, Monsieur Sinclair. Es gab tatsächlich einige Leichenfunde, die wirklich nicht in das gewohnte Bild hineinpaßten.«
»Aha«, murmelte Bill Conolly.
»Tote Frauen. Vor zwei Tagen ist die letzte Leiche an den Strand gespült worden. Die Tote gehörte zu den Mädchen, die im Sommer immer wieder an die Küste kommen und den Muff der großen Städte verlassen. Sie hoffen hier auf ihr Glück. Viele glauben noch immer, den Märchenprinzen treffen zu können. Trotz Internet in aufgeklärter Zeit. An gewissen Dingen hat sich nichts geändert, die sind eben menschlich. Viele dieser Mädchen verbringen den gesamten Sommer hier. Geld auszugeben brauchen sie nicht. Wenn sie hübsch genug sind,
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