Schreckensbleich
zusammenschlug. Das Gewehr hielt er in den Händen, dicht am Körper, den Lauf nach oben gerichtet, den Kolben am Gürtel. Dann holte er tief Atem, sog etwas Gigantisches ein, Druck und Furcht, und er spürte es in der Lunge, wie es schmerzhaft danach verlangte, herauszukommen.
Wie oft hatte er sich das ausgemalt, er in dieser Situation, die Waffe im Anschlag und das Ziel am Lauf entlang anvisiert? Er konnte es nicht sagen. Wusste nicht einmal, ob er das hier durchziehen konnte. Es war sein Vater gewesen, der ihm gezeigt hatte, wie man schießt; zehn Jahre alt, die Ellbogen über dem Erlenzaun an der Rückseite ihres Grundstücks, sein Vater in der alten braunen Cop-Uniform des Departments. Vier Äpfel dort im Gras aufgereiht. »Ganz ruhig«, sagte sein Vater. »Lass dir Zeit, du kriegst vielleicht nur die eine Chance.«
Drake trat aus dem Schatten der Bäume hervor und legte das Gewehr an. Es gab keinen Plan. Sein Vater glitt zurück ins Reich der Erinnerungen. Niemand da, um ihm zu sagen, wie man das machte, oder um ihm davon abzuraten. Das Silberlicht des Mondes lag auf ihm, und er stand da, das Gewehr im Anschlag, und die beiden Männer sahen ihn an und wussten nicht, was sie von ihm halten sollten.
Einer der beiden begann zu sprechen, der Ältere; die Stimme so rauh und holprig wie Kopfsteinpflaster. Mit der Hand brachte Drake ihn zum Schweigen. Wies ihn an, den Mund zu halten, wies ihn an, einfach still zu sein. Drake sagte eine Million verschiedene Dinge, gab sich zu erkennen, hielt das Gewehr in den Händen und brüllte und wusste gar nichts. Dachte sich das alles einfach aus, während er auf die Männer zuging. Er behielt die Hand an der Waffe und sah, wie Dampf aus den Nüstern der Pferde quoll, und alle starrten einander bloß an und warteten ab, was als Nächstes kam.
***
Hunt war der Erste, der die Überlegung anstellte. Zwischen ihm und dem Cop lagen gute sechzig Meter, und er nahm an, dass der Mann einen guten Schuss anbringen konnte. Ihm mit dieser 270er den Schädel aushöhlen konnte, doch das würde er nicht tun. In den Knast ging er nicht wieder. Es war leichtsinnig, und Hunt wusste es. Er zitterte am ganzen Leib und konnte spüren, wie sich seine Muskeln verkrampften und eine Million andere Dinge anfingen schiefzugehen. Doch er hatte sich vor langer Zeit entschieden, als es angefangen hatte, einigermaßen für ihn zu laufen, und Eddie zu ihm gekommen war und ihm den Job gegeben hatte und er diesen Job seitdem behalten hatte. Er hatte nicht vor, wieder ins Gefängnis zu gehen.
Der Deputy konnte sehen, was passierte, und Hunt wusste das. Sollte er es ruhig sehen. Sie befanden sich auf freiem Feld, und der Wald war nur ein paar Schritte entfernt. Es war dunkel im Wald, und Hunt konnte erkennen, dass er es schaffen konnte, wenn er nur dort hineinkäme. Der Deputy stand auf der Wiese, hielt sein Gewehr in den Händen und brüllte. Hunt wusste nicht, was er davon halten sollte. Sehr logisch war das nicht. Er hörte nicht hin, und der Junge fing an, langsam zurückzuweichen, und alles ging den Bach runter.
Mit einer einzigen schnellen Bewegung war Hunt hinter seinem Pferd, hatte die Schnalle geöffnet, und das Gewicht der Drogen zog den Sattel mit hinunter. Der Mann brüllte, aber Hunt brüllte auch. Er wusste nicht, was er sagen sollte, sagte dem Jungen aber die ganze Zeit, was zu tun war. Der Junge stand da wie eine dämliche Vogelscheuche, mit Stroh und Heu ausgestopft und ohne echten Mumm, wie es eigentlich hätte sein sollen. Einfach völlig verdattert. Hunt zerrte an den Zügeln, zog das Pferd am Kopf zu Boden, führte es abwärts, bis das Tier im Gras kniete. Der Junge hantierte ungeschickt am Bauchgurt seines Pferdes herum, während der Deputy geradewegs auf sie zukam, das Gewehr vor sich hingestreckt. Er brüllte irgendetwas, das der Junge nicht verstehen konnte. Und Hunt kam hoch, auf dem Rücken des Pferdes, seine behandschuhten Hände krallten sich in die Mähne, und das Pferde preschte vorwärts durch die Wiese.
Ein Schuss ertönte, Hunt duckte sich und fiel fast herunter. Das Pferd des Jungen erschrak und machte einen Satz rückwärts. Der Junge sprang weg und sah, wie die Hufe die Luft griffen. Dann machte er kehrt und rannte mit eingezogenem Kopf über die Wiese, versuchte, das Pferd zwischen sich und dem Gewehr zu halten. Haltlos stürzte er dahin, schaute nicht hin, behielt den Kopf unten und ließ seine Füße laufen. Die Wiese sauste unter ihm vorbei, doch er hatte keinen
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