Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
Vom Netzwerk:
zurückliegenden Zeit, damals, als er bloß ein Mann gewesen war, der in einer Gefängniszelle lebte, hatte er begriffen, dass es kein Zurück gab. So sehr er sich auch wünschte, dass alles verschwinden und sein Leben von vorn beginnen möge, als drücke man auf einen Reset -Knopf. Das Leben würde ihm diese Freude nicht machen. Er war durch eine Tür getreten, die nur in eine Richtung aufging, und er konnte sie nicht aufbrechen und zurückgehen. Es gab kein Zurück, das wurde ihm jetzt klar, festgenagelt unter Pappel- und Eschenzweigen, eine Erdböschung als einziger Schutz. Er musste weiter.
    Der Fluss strömte breit und flach dahin, und Hunt schätzte seine Tiefe auf maximal einen Meter. Er rannte darauf zu, noch ehe ihm klar wurde, was er tat. Er wusste, dass der Fluss zum Silver Lake hinunterfloss, nahe genug bei dem Truck. Die Kälte traf ihn zuerst an den Knöcheln und sank in seine Stiefel ein. Die Steine waren glitschig, und er fiel hin, stützte sich mit der Hand ab und schob sich vorwärts. Das Wasser reichte ihm bis zu den Schienbeinen, und es schien nicht tiefer zu werden. Weiter, dicht über die Wasseroberfläche geduckt, die Hände ausgestreckt, das Wasser spritzte beim Laufen vor ihm auf.
    ***
    Deputy Bobby Drake saß lange da und schaute von dem Grat hinab, lange genug, dass die Kälte der Berge sich unter seine Kleidung schleichen konnte, lange genug, dass sie unter die Haut drang. Er senkte den Kopf und drückte die Stirn gegen den hölzernen Kolben der 270er. Spürte die kalte Härte der Waffe an der Schläfe. Das Blut in seinen Adern kam zur Ruhe, sein Puls ging gleichmäßiger. Nachdem es geschehen war, lag er eine Weile einfach da und blickte ins Tal hinunter. Der Mann war jetzt verschwunden, war entkommen. Kiefern und Schierling erstreckten sich, so weit er sehen konnte. Das stumpfe Rotbraun der Bäume, die mit der Jahreszeit verbrannten. Das tote Pferd lag dort unten im Flussbett, das andere wartete in der Nähe, wartete darauf, ihn zu dem Jungen und den Drogen zurückzubringen, und Drake hatte eigentlich keine Ahnung, was er tun würde.
    Er hatte nicht um dieses Leben gebeten. Um nichts von all dem hatte er gebeten. Es war gegeben worden. Er blickte über den Wald unter ihm hinaus, der rötliche Dunst des Lichts, der im Osten emporstieg, und alles fing wieder von neuem an. Er hatte eine Art Schuld für das anerkannt, was sein Vater getan hatte, das wusste er, wusste, dass er den Namen zurückverdienen musste, ihn zurückverdienen für sich selbst und seinen Vater.
    Mit dem Zielfernrohr suchte er den Flusslauf ab, sah jedoch nichts. Nur das blassblaue Schimmern des Flusses und die tanzenden Sonnenflecken, während das Wasser vorbeiplätscherte. Er sann darüber nach, wie etwas wie dies hier sein Leben vielleicht verändern könnte. Wie es das bereits getan hatte, sein Vater im Gefängnis, Drake aus der Schule genommen, damit er sich zu Hause um alles kümmern konnte. Damals hatte er gedacht, er wüsste, wer er war, im College, fern von diesem Ort, fern von seinem Vater. Doch eigentlich wusste er es nicht, nicht wirklich. Dies hier würde ein paar Dinge ändern, dachte er, ganz sicher.
    ***

Teil II
    Auf dem Seeweg
    G rady streifte erst einen Handschuh ab und dann den anderen. Die Handschuhe, beide aus durchsichtigem Latex, waren von einem rosafarbenen Schimmer überzogen. Während er sich mit einem weißen Küchenhandtuch die blassen Hände abwischte, drehte er sich nach dem Geräusch um. Sein Handy lag vibrierend auf dem Seziertisch aus Edelstahl. Er hob es auf und warf einen Blick auf das Display. Fünf Uhr früh. Er hatte mit Messern gearbeitet, und vor ihm lag der halb sezierte Kadaver eines Schweins. Die Eingeweide herausgerissen, Herz und Leber aufgehoben, rechts von ihm lagen die Nieren in einem Behälter. Das ganze Ding stand für ihn offen, die klaffenden Rippen und der kalte Geruch eines mit Bleiche und Wasser geschrubbten Tischs. Es war noch früh am Morgen. Früher, als die meisten Leute auf zu sein erwarteten. Er hatte das Schwein auf dem Markt besorgt, während die Lastwagen noch mit Kartons voller Milch, Eier, frisch gebackenem Brot, Obst und Gemüse angerollt kamen. Im Lauf der nächsten Stunde würde er den Kadaver zerlegen, Stück für Stück, mit einer Eisensäge, die er im Haushaltswarenladen des Ortes gekauft hatte.
    Er meldete sich mit seinem vollen Namen. »Grady Fisher.« Um den Hals trug er den Latz einer weißen Schürze, besudelt von seinen eigenen blutigen

Weitere Kostenlose Bücher