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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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Fluss hinauf und versuchte, sich zu orientieren. Die Karte hatte in seiner Satteltasche gesteckt, genau wie das GPS, und er hatte keine echten Anhaltspunkte, die ihm verraten hätten, wohin er ritt. Im Truck war eine Karte, und er konnte den Weg vom Berg herunter finden, indem er sich an die Forststraßen hielt.
    Hunt hätte gern geglaubt, dass das Ganze ein unglücklicher Zufall gewesen war, aber wahrscheinlich stimmte das nicht. Der Mann hatte gesagt, er sei ein Cop; er hatte außerdem noch eine ganze Menge gesagt, aber Hunt hätte keiner Menschenseele verraten können, was, zumindest nicht in einer vernünftigen Reihenfolge. In seinen Ohren hallte ein urtümliches Dröhnen, und ganz gleich, was der Mann gesagt hatte, es hätte sowieso keinen Sinn ergeben. Eines war logisch gewesen, und das war, abzuhauen, denn er wusste, dass er nicht wieder in den Bau gehen würde, jetzt nicht, niemals, und das war das eine, dessen er sich ganz sicher war.
    Anhand seiner Uhr und des Scheins der aufgehenden Sonne konnte er sich eine grobe Vorstellung von seiner Position machen. Er wusste nicht, wie der Fluss hieß, obwohl er sich von der Karte her an ihn zu erinnern meinte. Der Truck und der Pferdeanhänger befanden sich mehr oder weniger südlich von hier, in der Nähe des Gebiets um den Silver Lake, und er hielt es für das Beste, sich weiter zu verstecken, einen Umweg zu reiten und die Bergkämme zu meiden. Wenn er den Truck erreichte, hätte er drei Stunden Fahrt bis nach Seattle vor sich, und das glaubte er schaffen zu können. Er nahm nicht an, dass es ein Problem sein würde. Das Problem war, vor dem Deputy von diesem Berg herunterzukommen. Wenn der Deputy ein Funkgerät dabeihatte, dann würde er wohl einen Hubschrauber anfordern, vermutete Hunt, doch das glaubte er eigentlich nicht. Er glaubte nicht, dass der Mann überhaupt mit einem solchen Tag gerechnet hatte, wie er da halb angezogen aufgekreuzt war und mit dem Gewehr auf sie gezielt hatte.
    Die Kugel traf die Stute direkt unter dem Ohr. Überall Blut. Das Pferd verharrte einen Augenblick lang wie betäubt, schwankte über irgendeinem unsichtbaren Abgrund, seine Vorderbeine knickten unter Hunt ein. Er hatte gerade genug Zeit, abzuspringen und sich von dem Tier wegzustemmen; er war auf den Beinen und in vollem Lauf, bevor er den nächsten Schuss hörte. Ob es ein guter oder ein schlechter Schuss war, konnte Hunt nicht sagen. Entweder hatte der Mann ihn treffen wollen oder das Pferd; vielleicht hatte er nur versucht, das Pferd zum Scheuen zu bringen, und gehofft, dass Hunt herunterfallen würde. Es war alles völlig unklar, und Hunt rannte weiter. Er glaubte, dass der Schuss von dem fernen Grat gekommen war, ganz sicher war er jedoch nicht. Dem Echo nach schien er aus weiter Entfernung gekommen zu sein, doch alles spielte sich außerhalb der Grenzen der Zeit ab.
    Er war im trockenen Teil des Flussbettes geritten, wo das Wasser im Frühling dahinströmte und lehmige Erde zurückließ. Ein Wäldchen aus jungen Pappeln und Eschen lag vor ihm, und er rannte darauf zu. Eine weitere Kugel schlug ein, und er hörte die Erde aufbrechen und das Projektil eindringen. Wieder erreichte ihn der Knall erst eine Sekunde danach oder sogar noch später. Er duckte sich hinter die Bäume, lehnte sich an die Böschung und hoffte, dass seine Beine und Füße verborgen waren. Dann blickte er zu seinem Pferd zurück und sah, dass der Sand dort schwarz geworden war. Das Pferd rührte sich nicht, und er schaute weg.
    Die Welt schien unbeständig und unberechenbar geworden zu sein, der Katalysator einer chemischen Reaktion, die er nicht aufhalten konnte. Die Stute lag dort draußen, still wie ein Fels; Blut sickerte aus einem sauber durch ihren Schädel getriebenen Loch. Er schloss die Augen, versuchte, das Bild aus seinen Gedanken zu vertreiben. Warme Morgensonne auf seinen Lidern, der rote Schein des Lichts dahinter. Ganz in der Nähe rauschte Wasser über Flusssteine, das Summen von durch die Luft gleitenden Insekten. Mach die Augen auf, dachte er, bleib in Bewegung. Heller Sonnenschein überall, was tat er eigentlich, was machte er hier?
    Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie groß die Reichweite eines solchen Gewehrs war. Selbst in vollem Lauf hätte er keine Chance, falls der Deputy das andere Pferd ritt. Hunt blickte dorthin zurück, wo die Stute lag, und fluchte leise in sich hinein, verfluchte sich selbst und hörte fast eine Minute lang nicht auf.
    Irgendwann in jener lange

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