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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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können.«
    »Wir tun, was wir tun müssen«, meinte Drakes Vater. »Als sie gekommen sind, um mich einzubuchten, bin ich abgehauen. Ich bin in die andere Richtung gerannt. Ich habe gewusst, was ich tat. Ich habe getan, was ich tun sollte, was logisch war.«
    »Ich weiß«, sagte Drake. »Ich habe die Akte gelesen. Das war das Erste, was ich getan habe, als ich meinen Stern bekommen habe.« Er musterte seinen Vater eine Zeitlang eingehend. Rasierter Kopf, kalte Augen. Dieser Mann war nicht mehr sein Vater, nicht mehr so, wie er früher gewesen war.
    »Hier ist was, womit du arbeiten kannst«, sagte sein Vater. »Ich habe Hunt mal außerhalb des Silver Lake District angehalten. Ich hatte die Lichtorgel an, die Sirene, das volle Programm. Dachte, ich würde ihn ’ne Stunde durch die Gegend hetzen, dachte, ich würde ihn wirklich aus der Gegend vertreiben.« Drakes Vater sah zu der Wache an der Tür hinüber, dann wandte er sich wieder um. »Hunt hat’s nicht mal versucht, er hat sich nicht von der Stelle gerührt. Er ist nicht abgehauen. Verstehst du?«
    Drake schwieg. Er wartete darauf, dass sein Vater zu Ende erzählte.
    »Du hast die Akte doch hier«, sagte sein Vater. »Du hast das doch gelesen, wie sie Hunt das erste Mal gefunden haben, wie er einfach neben diesem alten Mann in dem Anglerladen gesessen und darauf gewartet hat, dass die Polizei kommt und ihn einkassiert.«
    »Das ist lange her«, wandte Drake ein.
    »Er weiß, was er tut, so oder so.«
    »Warum stellt er sich dann nicht einfach?«
    »Er hat ein Gefühl dafür, was richtig und was falsch ist. Das ist alles.«
    »Das kann ich nicht glauben«, wehrte Drake ab.
    »Das ist eine von den Sachen, die man nebenbei lernen muss. Das bringen sie einem nicht bei.«
    »Was bringen sie einem nicht bei?«
    »Dass das Gesetz mal dazu da war, für Ordnung zu sorgen. So einfach war das.«
    »Meinst du nicht, dass sich die Leute für das verantworten sollten, was sie tun?«
    »Ich denke, sie verantworten sich auf ihre eigene Art und Weise. Ich denke, Hunt weiß das. Ich glaube, er weiß, wenn er sich jetzt stellt, dann wird überhaupt nichts verantwortet. Dann hast du deinen Mann, aber das wird niemandem was nützen.«
    Drake sagte nichts. Sein Vater betrachtete ihn, wollte sehen, wie er seine Worte aufnahm.
    »Und wenn du rauskommst, was wirst du dann tun?«, fragte Drake.
    »Das weiß ich noch nicht. Ich kann dir versichern, dass ich nichts in der Art machen werde wie das, was Hunt da gerade laufen hat. Das habe ich schon mal gemacht. Ich habe nicht vor, es noch mal zu tun.«
    »Die sicherste Methode, draußen zu bleiben, wäre, genau diesen Rat zu beherzigen.«
    »Ich weiß«, antwortete sein Vater.
    Die ersten nassen Flocken begannen zu fallen, als Drake bei seinem Auto ankam. Er saß bei laufender Heizung auf dem Fahrersitz und betrachtete die Mauern von Monroe. Alles, was er von der Nacht sehen konnte, war der herabfallende Schnee. Schwarze Nacht da draußen und die weißen Punkte, die vom Himmel fielen. Er überprüfte sein Handy auf verpasste Anrufe. Nichts. Allmählich blieb der Schnee liegen.
    Drake fuhr vom Parkplatz, das ferne Leuchten von Seattle weit vor ihm. Driscoll hatte nicht angerufen, und er hatte keinen anderen Hinweis als die Adresse, die Hunt aus Thus Tasche genommen hatte.
    ***
    Als Hunt das Haus fand, fuhr er seinen Truck daran vorbei und noch ein paar Blocks weiter, dann ging er durch den immer dichter fallenden Schnee zurück zu der Adresse, die er Thu abgenommen hatte. Abgesehen von dem Hinken und davon, dass der Schuh an seinem Fuß stellenweise dunkelrot verfärbt war, sah er ganz normal aus. Die Browning hatte er in das Handschuhfach seines Trucks gestopft. Ihr Fehlen an seinem Gürtel gab ihm das Gefühl, nackt zu sein. Doch wenn irgendjemand noch mehr auf Gradys Tod aus war als er, dachte er, dann würden es die Vietnamesen sein. Es war seine einzige Hoffnung, das Letzte, was er noch hatte, bevor er einfach aufgab und zuließ, dass Grady ihn fand.
    Die Sonne war untergegangen, und er hatte ungefähr dreißig Minuten gebraucht, um das Haus im Dunkeln zu finden, nachdem er die Interstate verlassen hatte. Trotzdem, die Straßenlaternen über ihm spendeten Licht, und es war, als sähe er alles durch herabrieselnde Asche, der Schnee in der Luft und das trübe, fast blaue Licht deckten alles zu. Lampen leuchteten über Haustüren. Autos rollten die Straße herunter und fuhren weiter. Hunt ging zum Ende des Blocks, stand an der Ecke und

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