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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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in seine Stimme.
    Grady stand über Nora, bereit, noch einmal zuzuschlagen. »Was ›Grady‹?« Jetzt konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit ganz auf Hunt. »Ihretwegen ist alles total im Arsch. Verstehen Sie das nicht?« Er wollte Hunt das Gesicht vom Schädel schneiden. Er wollte Grausamkeiten begehen, ohne rechten Sinn und Zweck, Dinge, von denen er wusste, dass er sie genießen würde. »Aufstehen«, befahl er abermals.
    Hunt stand auf.
    Grady schlug ihm heftig ins Gesicht, viermal rasch hintereinander. Hunt stand immer noch aufrecht, nur sein Kopf ruckte nach jedem Schlag zurück; jetzt kam Blut und lief ihm in Strömen aus der Nase, tropfte ihm vom Kinn und klatschte auf den Boden.
    »Sie zeigen mir, wo das Heroin ist, sonst schneide ich euch beide in Stücke und verscherbele eure Organe. Haben Sie verstanden?«
    Hunt wischte sich mit dem Unterarm das Blut von der Nase und sah Grady an. Er schämte sich, und Grady wusste es. Vor den Augen seiner Frau fertiggemacht. Hunt murmelte irgendetwas vor sich hin.
    »Was haben Sie gesagt?«, fragte Grady.
    »Ich habe gesagt, ich bringe Sie hin.«
    ***
    Drake zog sein Handy hervor und rief Driscoll an. Es schneite noch immer, und seine Schuhe waren schneenass. »Driscoll«, stieß er hervor, den Mund dicht am Telefon und den Blick noch immer auf das Haus unten an der Straße gerichtet. »Ihre Männer sind tot. Ich sitze hier draußen bei den Leichen, und ich glaube, Grady ist da drin.«
    »Nicht so schnell«, erwiderte Driscoll. »Wo sind Sie? Moment – Sie sind da hingefahren?«
    »Hören Sie mir zu«, drängte Drake. »Die Männer, die Sie auf das Haus angesetzt haben, sind tot. Sie sind tot, Driscoll.« Den Rücken an die Seite des Wagens gepresst, hockte er da, fast hysterisch, allmählich dämmerte ihm die üble Lage, in der er da gelandet war. Seine Stimme war nur ein Flüstern; die Worte tröpfelten ins Telefon, die Pumpgun klemmte aufrecht zwischen seinen Beinen.
    »Tun Sie gar nichts«, wies Driscoll ihn an. »Bleiben Sie einfach, wo Sie sind. Ich bin schon unterwegs. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, und tun Sie überhaupt nichts.«
    Auf der anderen Straßenseite öffnete sich die Tür des Hauses, und ein Mann trat auf die Veranda, eine Art Tasche in der Hand. Drake drückte das Handy an die Brust; was immer Driscoll sonst noch zu sagen hatte, ging dabei verloren. Der Mann auf der Veranda wandte den Kopf nach dem Wagen der Zivilfahnder um, und Drake tauchte ab. Er hielt den Atem an, sah den Schnee fallen, sah zu, wie er herabrieselte, und fühlte jede Flocke, die auf seinem Gesicht landete, alles ganz deutlich.
    Schließlich riskierte er einen Blick über die Kühlerhaube des Wagens, gerade noch rechtzeitig, um Hunt und Nora die Stufen herunterkommen zu sehen, Nora mit gefesselten Händen; der Mann war dicht hinter ihnen. Driscoll sagte irgendetwas aus dem erneut unbedeckten Handy, und Drake klappte es behutsam zu, bis nichts mehr zu hören war außer dem Schlurfen der Schritte auf der anderen Seite der Straße. Mit aufgestützten Ellbogen brachte er die Pumpgun über der Kühlerhaube in Stellung und fand ein klares Ziel. Er holte Atem und fühlte, wie die Luft in sein Inneres hinabströmte, fühlte, wie sie seine Lunge füllte und wie seine Lunge die Luft zurückgab. Alles in Zeitlupe, fallende Schneeflocken, weit entfernt die Geräusche nasser, schneebedeckter Straßen, ein Flugzeug, das in den Sinkflug überging, kilometerweit über ihm.
    ***
    Grady wusste nicht, wo der Silver Lake war, oder warum irgendein Cop von dort ihn von der anderen Straßenseite her anbrüllte, dass er die Tasche fallen lassen solle. Er sah auf den Messerkoffer in seiner Hand hinunter. Jetzt spürte er die Schusswunde. Irgendwann hatte er sie zu stark gezerrt, hatte sie aufgerissen, und er konnte das Blut fühlen, warm auf seinem Bauch, wie es ihm über die Haut lief und weiter in die Hose. Er stolperte ganz kurz und fing sich dann wieder. Seine Gedanken stürzten in einem einzigen Wirrwarr auf ihn ein, rollten übereinander wie lose Felsblöcke, die einen Abhang hinunterpoltern, ohne jegliche Kontrolle. Einen Augenblick lang dachte er, dieser Cop hätte vielleicht gar nichts mit all dem zu tun – eine Zeche, die er zu zahlen vergessen hatte, ein verkramter Strafzettel –, doch dann rief der Mann Hunts Namen, und Grady wusste, dass das Ganze eher etwas mit der jüngsten Reihe unvollendeter Ereignisse zu tun hatte.
    Der Cop hatte gebrüllt, dass sie stehen bleiben sollten,

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