Schreckensbleich
seltsame Farbe, wie von einer anderen Welt. »Scheiße!«, stieß er hervor, ließ sich zu Boden fallen, die Hände in den Schnee gestreckt, und fühlte die Kälte.
Drake zog am Türgriff, und der tote Polizist sackte halb aus dem Wagen, seine Finger ruhten dicht neben Drakes auf dem Boden. Ein Einschussloch in seinem Kopf, sauber wie von einer zur anderen Seite hindurchgebohrt, Spinnennetzsprünge im Glas und das zerborstene Loch, wo die Kugel durchgekommen und draußen in der schneebedeckten Welt verschwunden war.
Er konnte das Gesicht nicht sehen, wollte es nicht sehen. Der Mann lag einfach dort auf dem Boden, und der Schnee fiel herab und schmolz auf seiner Haut. Drake tastete nach einem Puls. Nichts. Die Haut fühlte sich noch warm an, Schneeflocken zerrannen auf dem Fleisch des Toten zu Wassertröpfchen.
Im Innern des Autos fand er den anderen Mann, mit klaffender Kehle, Blut die Brust herunter und am Hemdkragen festgetrocknet. Schwerer Dunst von Blut und Menschenkörpern hing im Wagen.
Drake schob den Mann auf seinen Sitz zurück und streckte den Arm über ihn hinweg, bis er die Pumpgun zwischen den Sitzen hervorziehen konnte. Er überprüfte die Kammer, fünf Riesenpatronen, groß und massiv genug, um einen Bären niederzustrecken. Keuchend hockte er neben dem Wagen; sein Atem ging schwer, und nervöser Schweiß ließ seine Kleider allmählich feucht werden.
Wieder blickte er zu dem Haus zurück; dieselbe nackte Glühbirne hing im Keller, und irgendwo weiter hinten brannte noch ein zweites Licht, ein orangefarbener Schein, durch die Vorhänge an der Vorderseite des Hauses gerade noch auszumachen.
***
Grady hatte Hunt und Nora in die Küche gesetzt. In der Mitte des Raumes lag ein toter Vietnamese, den Hals so weit aufgeschlitzt, dass sie das hintere Ende seiner Zunge sehen konnten. Scherben einer weißen Keramikschüssel lagen überall auf dem Küchenboden verstreut, und eine Pfanne mit verbranntem Knoblauch stand auf dem Herd. Grady saß auf einem Stuhl und blickte zu ihnen hinüber. Er hielt ein kleines Ausbeinmesser in der Hand. Nora waren die Hände mit einer Schnur gefesselt worden; Grady sah, dass sie aus seinem eigenen Keller stammte. Hunt schmorte auf seinem Platz vor sich hin.
Mit der freien Hand fischte Grady eine Spritze aus seinem Koffer und schob sie sich zwischen die Zähne. Dann holte er ein Fläschchen Morphium hervor und zog die Flüssigkeit in die Spritze, das Fläschchen zwischen die Beine geklemmt. Nachdem er die Luftblasen herausgedrückt hatte, spritzte er sich das Mittel und fühlte, wie sich in seinem Kopf alles drehte. Als er aufblickte, starrte Hunt ihn unverwandt an. Grady hielt noch immer das Messer in der Hand.
Die Vietnamesen waren tot, auch der Anwalt war tot. Grady versuchte zu entscheiden, was er tun sollte. Alles, was noch ein bisschen Geld wert war, war das Heroin. Hunt hatte seine Hälfte nicht bei sich. Grady nahm an, dass es irgendwo versteckt war, dass Hunt gehofft hatte, mit den Vietnamesen irgendeinen Deal auszuhandeln.
In seinem Koffer waren ungefähr sechzig Kapseln von dem ersten Mädchen, und er hatte nicht den blassesten Schimmer, was er damit anstellen sollte. Er wusste nicht, wie viel das Zeug wert war, doch er konnte sich vorstellen, dass die Summe ausreichte, um all die Schwierigkeiten zu rechtfertigen, die er gehabt hatte. Er blickte zu Hunt hinüber und schaute dann weg.
Das Morphium begann wieder in ihm zu wirken. Er fühlte sich genauso wie vorhin, nicht zu bremsen. Er wollte losbrüllen, wollte durch Wände hindurchmarschieren, die Faust durch eine Glasscheibe rammen und auf dem Wasser wandeln. Unwillkürlich blickte er zu dem Toten auf dem Fußboden hinunter und sah dann Hunt an.
»Haben Sie sich je gefragt, wie das ist?«, fragte Grady, und sein Blick schwenkte zurück zu dem Leichnam auf dem Boden. »Wie ist es denn so da drüben?«, fragte er den Toten. Er wartete auf eine Antwort.
Der Mann starrte zur Decke hinauf, rotes Flor an der Haut seines Halses. Seine Augen suchten den Himmel nach einer Antwort ab.
»Was haben Sie denn erwartet?«, fragte Hunt.
Grady wandte sich zu ihm um. Es fiel ihm schwer, den anderen mit dem Blick zu erfassen; die Umrisse von Hunts Gesicht wirkten verschwommen. »Aufstehen«, befahl er.
»Was?«
»Ich hab gesagt, aufstehen. Steht auf, alle beide.«
Nora begann ein wenig zu schluchzen, und als sie nicht aufhörte, ging er hin und versetzte ihr eine Ohrfeige.
»Grady«, sagte Hunt. Etwas Wildes stahl sich
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