Schreckensbleich
ihn angeschossen hatte, sicher war er sich jedoch nicht.
Drake keuchte, mehr und mehr Schweiß bedeckte sein Gesicht. Ihm war schwindelig. Er versuchte, den anderen im Blick zu behalten, doch vor seinen Augen verschwamm alles, und er schien nichts dagegen machen zu können.
Grady stieß Drakes Waffe mit dem Fuß zur Seite. Dann klopfte er auf das Zielfernrohr an seinem Automatikgewehr. »Hätte dir den Kopf wegschießen können, aber so ist es interessanter.« Er schob eine Hand unter seine Jacke, und als er sie wieder hervorzog, hatte er Blut an den Fingern. Er betrachtete es. Prüfte mit Daumen und Zeigefinger seine Beschaffenheit. Es schien ihn in Erstaunen zu versetzen.
»Für wen?«, brachte Drake heraus.
»Für mich.« Grady ließ das Gewehr aus den Fingern gleiten und in den Schnee fallen.
Drake lag da und sah nach oben, nasser Schnee unter ihm, der Boden hart vor Kälte, die Knie angezogen und die unversehrte Hand über dem Loch, das Grady in seinen Unterarm gerissen hatte. Er schloss die Augen; er konnte nicht die nötige Energie aufbringen, sich zu bewegen. Grady legte eine Hand um Drakes Kehle und drückte ihn nieder. Drake lag einfach da und empfand die Unausweichlichkeit dessen, was als Nächstes kommen würde.
Das Geräusch einer auslösenden Sprungfeder war zu hören, etwas rutschte auf einem Gleitlager nach vorn. Drake öffnete die Augen und sah die Klinge auf sich zukommen. Instinktiv hob er die Hand, und das Messer schnitt hinein. Der neue Schmerz überraschte ihn. Er fand irgendein Energiereservoir und schob sich mit seinem unverletzten Bein im Schnee rückwärts, sein Knie stand in Flammen, und Grady kniete am Boden, hackte mit dem Messer nach ihm. Wieder streckte Drake die Hand aus, voller Blut, und griff nach Gradys Ärmel. Er fühlte den Mechanismus darunter, fühlte den Griff des Messers und versuchte, es von Gradys Arm loszudrehen. Grady warf sich mit seinem ganzes Gewicht auf Drake und drückte das Messer abwärts.
Einen Augenblick lang gab es nur sie auf dem Schneefeld. Nichts als ihr Keuchen, mit zusammengebissenen Zähnen. Speichel rann aus ihren Mündern, Schnee wurde unter ihnen zerdrückt. Grady lag über Drake, versuchte, das Messer hineinzustoßen; Drake bemühte sich, ihn von sich wegzuhebeln. Fallender Schnee. Das gedämpfte rote Blinken der Landebahnlichter. Drake stieß Grady das unversehrte Knie in den Bauch, und beide Männer schrien vor Schmerz auf. Die Spitze des Messers sank in Drakes Schulter, und er fühlte sie im Muskel pochen. Mit aller Kraft drückte er Gradys Hand wieder nach oben.
Ein Flugzeug flog über sie hinweg, blendende Landescheinwerfer, die einen menschlichen Schatten über sie beide warfen. Die Scheinwerfer überfluteten die Szene mit reinem weißen Licht, und plötzlich war Hunt da, wie durch einen Zaubertrick aus der Dunkelheit gefischt.
Drake hörte das Klicken des Hahns, den Bruchteil einer Sekunde bevor die Schrotflinte losging. Er hörte es, wandte jedoch das Gesicht nicht ab, dachte nicht einmal daran, seine Augen zu schützen. Die Mündung war dreißig Zentimeter von Gradys Schläfe entfernt. Grady blickte auf, sein Gesicht erfasste die Lage, begriff, was kam, eine halbe Sekunde lang wurden seine Augen riesengroß, blickten den Lauf der Waffe entlang. Hunt ließ den Finger auf den Abzug schnellen, und Drake sah zu, wie das Geschoss Zähne und Zahnfleisch mitriss, Zunge und Rachen, glatt durch Gradys Kopf hindurch, den es als zerplatztes Gewirr auf dem schneebedeckten Feld zurückließ.
Ein Jet landete, das satte Geräusch von auf Asphalt treffendem Gummi, das Radieren der Reifen und der von der Landebahn aufsteigende Rauch. Drake fühlte, wie jeder Muskel seines Körpers nachgab. Er spürte die Kälte unter sich, hieß sie willkommen, ließ sie in sich einsickern. Hunt stand da, die Pumgun halb über Gradys Leichnam erhoben, als könne Grady sich vielleicht wieder erheben, als könne er noch immer eine Bedrohung darstellen. Das Licht um sie herum schwand, bis abermals nichts mehr übrig war als das trübe rote Pulsieren.
»Er wollte Sie umbringen«, sagte Hunt. Dabei sah er Drake nicht an. Er sagte es einfach nur.
»Ich weiß.«
»Ich habe gerade einen Menschen erschossen«, stellte Hunt fest, seine Stimme wie im Nebel. Er drehte sich um und sah Drake an, die Schrotflinte noch immer in der Hand.
»Ich weiß«, sagte Drake.
»Das habe ich nie gewollt.«
Drake hustete. Er beobachtete die Waffe in Hunts Hand; der Schmerz in seinem Knie
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