Schreckensbleich
Schmerz in seiner Wade. Er hatte heftig aufs Gaspedal getreten, mit der Bremse gearbeitet und den Automatikhebel auf »D« gestellt. Das alles hatte weh getan, doch in dem Augenblick hatte er es nicht registriert; sein verletztes Bein war für alles gewappnet, die zerrissenen Muskeln gespannt. Hunt war sich sicher, dass er unter dem Verband blutete, dass die Wunde in all der Aufregung von neuem aufgebrochen war.
Hinter ihm erstreckte sich die Straßenbeleuchtung im Rückspiegel anderthalb Kilometer ohne Unterbrechung. Sie parkten neben einem langen Zaun, der sich über die ganze Länge des Flughafens zog. Hier gab es nichts zu sehen außer Flugzeughangars und Metallcontainern.
Hunt legte den Arm über die Rückenlehne und beobachtete die Straße hinter ihnen. Nichts kam aus der Dunkelheit, nur die Nacht dort hinten und der fallende Schnee. Er hatte Drake mit vorgestreckter Pumpgun auf Grady zurennen sehen, während dieser auf sie gefeuert hatte. Das war das Letzte, was er gesehen hatte, bevor der Truck um die Ecke gebogen war.
Irgendwo über ihnen konnte er ein Flugzeug kreisen hören. Er beugte sich vor, holte die Browning aus dem Handschuhfach und hielt sie in der Hand.
»Jetzt ist es vorbei, nicht wahr?«, fragte Nora; ihr Atem ging in dampfenden Stößen.
Hunt blickte auf die Waffe hinunter. Da gab es Heroin im Wert von ungefähr neunzigtausend Dollar, das auf ihn wartete. Neunzigtausend Dollar, mit denen er nicht das Geringste zu tun haben wollte. Er schaute zu Nora hinüber. »Die Pferde stehen oben an einer alten Forststraße, auf der Ostseite der Cascades«, sagte er. Er nannte ihr den Straßenkilometer und ließ sie die Zahl wiederholen. Er sagte ihr, wo sie den Anhänger finden würde, wie viel jedes Pferd seiner Meinung nach wert war und mit wem sie wegen der Tiere Kontakt aufnehmen sollte.
»Wieso sagst du mir das?«, wollte Nora wissen. Nacht dort draußen, und die Dunkelheit drängte sich heran, Schnee klopfte ans Fenster, als wolle er herein.
Hunt blickte auf die Browning hinunter. Lange betrachtete er seine Hände. »Das Heroin ist im Stall versteckt, in dem kleinen Hohlraum unter dem losen Bodenbrett.«
Wieder wollte sie wissen, warum – warum erzählte er ihr das? Er antwortete nicht. »Es ist doch vorbei, nicht wahr?«, fragte sie. »Bitte sag mir, dass alles vorbei ist.«
***
Drake trabte in einem Zustand völliger Fassungslosigkeit vorwärts. Er hielt die Schrotflinte in den Händen. In der Nähe waren Sirenen zu hören. Ihm war klar, dass es Driscoll sein würde, obwohl er nicht wusste, wie weit er entfernt war oder ob er noch rechtzeitig eintreffen würde, um zu helfen.
Nora und Hunt waren fort, Grady stand einfach dort vorn in der Nacht im Schnee, der überall um ihn herum herabrieselte, und lauschte den herannahenden Sirenen. Drake hob die Pumpgun und rief Grady zu, er solle seine Waffe fallen lassen. Grady wandte sich halb nach ihm um, dann gab er Fersengeld, rannte durch den Schnee, so gut er konnte.
Drake feuerte und verfehlte ihn, das Aufspritzen der Schrotpatrone an einer nahen Betonwand, so groß wie ein Meteor. Eine Schneeböe verbarg Gradys rennende Gestalt. Die Landescheinwerfer eines Flugzeugs über ihnen beleuchteten Gradys Profil, ehe die Maschine zum Flugplatz hinschwenkte, dann wieder nichts.
Drake drückte seine Waffe fest an den Körper. Er rannte, folgte den Abdrücken von Gradys Tritten im frisch gefallenen Schnee. In der Dunkelheit konnte er kaum zehn Meter weit sehen, bevor die Spuren vor ihm in der Nacht verschwanden.
Die Fußabdrücke hörten nicht auf, und er rannte blind dahin. Kein Laut, nur der Wind, der den Schnee herantrug, dann der Schatten von jemandem, der in der Ferne rannte. Er blieb auf der Straße stehen und hob die Schrotflinte. Ein stumpfes Klicken des Abzugs, die Waffe hatte Ladehemmung, und Drake hielt sie nutzlos in den Händen. Keine Zeit, die Patrone herauszuhebeln. Er ließ die Pumpgun fallen und zog im Laufen seine Dienstwaffe aus dem Holster an seinem Gürtel.
Drake erreichte den Begrenzungszaun, Stacheldraht über die ganze Länge. Hohes Gras stach durch den Neuschnee, eine Pufferzone von etwa hundert Metern zwischen dem Zaun und den letzten Häusern des Wohngebiets. Jetzt gab es keine Straßenlaternen mehr, nur das ferne Blinken der Pistenbeleuchtung, um ihn zu Grady zu führen.
***
Hunt wendete den Truck und folgte der Straße bis an den Rand der Flugplatzumzäunung. Er fand eine kleine Straße, wo er im Schutz der Schatten
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