Schreckensbleich
herum und setzte sich ihm gegenüber. Sie drehte sich nicht zu ihm um, sondern beschränkte sich stattdessen darauf, zu spüren, wie das Bett nachgab, wenn er dort saß. »Hast du mal daran gedacht, dass es anders hätte sein können, wenn wir Kinder gehabt hätten?«
»Wir haben doch die Pferde, oder?«
»Das ist eine ernstgemeinte Frage, Phil.«
Hunt sah aus dem Fenster, hinüber zu den Wipfeln der Birken. »Dazu kann ich nichts sagen.«
»Doch, das kannst du«, entgegnete sie. »Du willst bloß nicht.«
»Nora –«
»Lass es«, wehrte sie ab. »Wir wissen beide, dass es die ganze Zeit an mir lag, und jetzt ist es sowieso egal. Selbst wenn ich könnte, jetzt wäre es zu spät.«
Hunt schwieg. Er machte Anstalten, ihren Rücken zu berühren, überlegte es sich jedoch noch einmal und ließ es bleiben. Sie hatte an ein Leben ohne ihn gedacht – nur dieses eine Mal, im Auto vor ihrem Haus, mit laufendem Motor, die Scheinwerfer hell auf der Kiesauffahrt –, hatte darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn sie fortging, wenn sie ihn einfach hinter sich zurückließ.
Jetzt dachte sie darüber nach. Sie dachte darüber nach, weil sie ein Bedürfnis in ihm erkennen konnte, sie vor den Schwierigkeiten zu schützen, in die er sich gebracht hatte. Sie konnte es sehen, wie einen fernen Staubsturm, der sich schwarz und prall entlang des Horizonts zusammenballte. Sie dachte darüber nach, wie es sein würde, ohne ihn in einem Bett aufzuwachen, an einem Tisch zu sitzen, allein von Tag zu Tag zu gehen und die ganze Zeit zu wissen, dass er dort draußen war und dasselbe tat.
»Glaubst du, es ist wahr, was man so sagt?«, fragte Nora. »Dass es einen selbstlos macht, Kinder zu haben?«
»Ich glaube, irgendwas macht es schon mit einem«, antwortete Hunt. »Aber ich weiß nicht, was.«
»Bezeichnest du uns als selbstsüchtig?«
»Nein, aber ich glaube, du bezeichnest uns als irgendwas.«
»Vielleicht, und vielleicht sind wir das ja auch.«
»Da kann ich nichts machen«, sagte Hunt. »Es ist so, und wir sind so, und hier sind wir jetzt und haben all das hinter uns.«
»Du glaubst, es hat die ganze Zeit so kommen müssen.«
»So will ich nicht darüber denken. Ich will einfach nicht. Es war ein Geschenk, ein Leben wie unseres zu haben, und ich würde nicht das Geringste daran ändern.«
»Ich will ein Versprechen.«
»Was soll ich dir denn versprechen?«
»Wenn das morgen alles schiefgeht, dann will ich, dass du versprichst, dass du nicht einfach weitermachst. Du machst ganz einfach kehrt und kommst hierher zurück. Verstehst du?«
»Wenn ich das nicht durchziehe, dann gibt es kein Morgen, dann gibt es kein Hier.«
Nora brach in Tränen aus. Hunt blieb, wo er war, regungslos, und hörte seine Frau weinen. »Als ich dich heute Morgen gesehen habe, habe ich gesagt, vielleicht ist es ja schon weg, vielleicht war es schon lange weg. Ich mag nicht so fühlen, Phil, ich mag das überhaupt nicht. Ich will, dass du mir das jetzt versprichst.«
»Ich bin vierundfünfzig. Für Versprechen ist es zu spät.«
»Das ist keine Antwort«, erwiderte Nora. »Das ist überhaupt keine Antwort. Wenn du abhauen musst, wirst du es tun. Und jetzt versprich mir, dass du zurückkommst, so oder so.«
***
»Das ist ja so aufregend.« Sheri stand am Fenster und blickte auf den Freeway und das Karomuster der Straßen der Stadt hinunter. Sie befanden sich im zweiundzwanzigsten Stockwerk des Sheraton. Dort unten konnte sie das gelbe Warnlicht eines Abschleppwagens sehen, das im Kreis herumzuckte und den Beton einer nahen Straßenüberführung streifte. »Meinst du, die machen dich zu einem DEA-Agenten oder so?«
»Glaube ich nicht«, antwortete Drake. Er hatte sich vom Bett erhoben und kam zum Fenster hinüber, um auf die Stadt hinauszuschauen. Er trug Basketballshorts aus dem College und ein dünnes weißes T-Shirt. Sein kurzes braunes Haar begann ihm schon in jungen Jahren auszugehen, und er hob verlegen die Hand, wuschelte hindurch und zog es sich in die Stirn. Sheri hatte die Hand gegen die Fensterscheibe gelegt. Sie stand auf Zehenspitzen und spähte hinunter.
»Komm weg vom Fenster«, sagte Drake. »Du machst mich nervös.«
»Was, das hier macht dich nervös?« Sie lehnte sich gegen das Fenster und stützte auch die andere Hand gegen das Glas.
»Hör auf, rumzuspielen.«
»Lebst du etwa nicht gefährlich? Bist du nicht deshalb hier?«
»Ich wäre lieber zu Hause, da weiß ich, was ich da soll.«
»Zu Hause bei deinen
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