Schreckensbleich
erkennen, wie er das aufnahm. Der Mann saß dort auf der anderen Seite des Tisches, die Lippen leicht geöffnet; seine Frage wartete darauf, gestellt zu werden. Dann setzte Drake hinzu: »Hat es was mit dem Fall zu tun?«
»Auf irgendwie frakturierte Weise schon.«
»Wieso frakturiert?«
»Die Sprünge, die von der Einschlagstelle weg verlaufen.«
»Verstehe.«
»Fassen Sie das bitte nicht falsch auf, Deputy. Haben Sie eine Frau?«
»Ich trage den Ring.«
»Kinder?«
»Noch nicht.«
»In Fällen wie diesen kommt es häufig vor, dass Leute verschwinden, bevor sie vor Gericht aussagen. Natürlich macht uns das große Sorgen.«
»Natürlich.«
»Morgen Nachmittag um diese Zeit hat die Zeitung die Story veröffentlicht, und ich will, dass Sie vorbereitet sind.«
»Wir kommen schon klar. Ist nicht das erste Mal, dass ich so was durchmache.«
»Ja«, stimmte Driscoll ihm zu, »das stimmt. Aber trotzdem, wir hätten es gern, dass Sie und Ihre Frau ein paar Tage in die Stadt runterziehen. Natürlich auf unsere Kosten.«
»So, wie Sie das sagen, klingt es fast wie eine Drohung«, bemerkte Drake.
»Nein, Drake, wir sind ganz bestimmt nicht diejenigen, die hier drohen.«
***
Eddie klappte das Handy zu und legte es auf den Tisch. Er starrte Hunt an.
»Diesen Blick kenne ich«, bemerkte Hunt. Die Pistole lag vor ihm auf der Tischplatte, und Eddie betrachtete sie kurz. Dann sah er weg.
»Ich werde dir nicht erzählen, dass alles gut wird. Ich denke, das weißt du.«
Hunt blickte zu Nora hinüber, die am Fenster stand und hinausschaute.
»Was ist es, Eddie?«, fragte Nora, ohne sich vom Fenster abzuwenden. »Was muss er tun?«
»So einfach ist das nicht«, erwiderte Eddie.
»Das Ganze tut mir leid, Eddie«, meinte Hunt. »Ich wünschte, ich könnte was Besseres sagen. Aber ich glaube nicht, dass es was ändern würde.«
»Schon komisch, wie sich die Dinge manchmal entwickeln.«
»Stimmt, Eddie.«
Nora kam zum Tisch herüber und setzte sich. Eine lose Haarsträhne rutschte ihr in die Augen, und sie steckte sie fest. »Man kann doch bestimmt irgendetwas tun.«
Eddie sah Hunt an. »Sie möchten, dass du eine Art Spende abdrückst.«
»Spende?«
»Ja, etwas von deiner Zeit.«
»Hab ich das nicht gerade getan? Du siehst mich nicht flennen, weil ich für meinen Zeitaufwand nicht bezahlt worden bin.«
»Du hast auch nicht geliefert.«
»Und wessen Schuld war das? Die haben versucht, zu viel Ware auf einmal umzuschlagen.«
»Ja, das könnte man so sagen. Aber in deren Augen sind sie selbst mit Sicherheit nicht schuld.«
»Und was wollen sie von mir?«
Eddie wandte sich um und sah Nora an. »Du solltest jetzt lieber nach nebenan gehen. Es wäre am besten, wenn du einfach nach nebenan gehst und den Fernseher anmachst und nicht hörst, was ich Phil zu sagen habe.«
Nora sah Hunt an.
»Ich versuche doch nur, euch zu helfen«, versicherte Eddie. »Es ist besser, wenn du es nicht weißt.«
»Bitte, Nora«, sagte Hunt.
Sie sah beide nacheinander an; ihre tiefliegenden Augen forschten in ihren Gesichtern. Hunt wusste, dass sie ihn später fragen würde, was Eddie zu sagen gehabt hatte, und er wusste, dass er es ihr erzählen würde. Sie ging hinaus und ließ sie dort am Tisch sitzen. Der Fernseher ging an, und sie konnten die Mittagsnachrichten hören.
***
Der Junge saß mit neun anderen Männern in der Arrestzelle. Den ganzen Vormittag war er hier rein- und wieder rausgebracht worden, hatte Fragen beantwortet. Zuerst war es ein Spiel für ihn. Ein Spiel für harte Männer; es war, als käme man in den Knast, machte gute Miene zum bösen Spiel und hoffte, dass alles gut würde. Doch es gab niemanden, dem gegenüber er sich hätte beweisen können. Sie kannten ihn alle. Sie wussten sowieso alle, was aus ihm werden würde. Und es gefiel ihm gar nicht, was sie zu sagen hatten. Großer Gott, dachte er, was mache ich hier, was in Gottes Namen mache ich hier bloß wieder? Er war blöd gewesen, hatte sich für schlau gehalten. Man hatte dem Jungen gesagt, es wäre wie beim Lottospielen. Und er hatte wohl geglaubt, er hätte etwas ganz Besonderes für sich gewonnen, etwas, worauf er stolz sein konnte.
Sein Hinterkopf schmerzte dort, wo der Deputy ihm eins verpasst hatte. Er hatte von Fällen gehört, die wegen so etwas nicht zur Verhandlung gekommen waren. Das war miese PR. Aber das schien keinen von diesen Typen auch nur im Geringsten zu interessieren. Der DEA-Agent hatte zugehört. Aber weiter war nichts
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