Schreckensbleich
nie rausgehen und im Bett liegen. Es wird genauso sein wie damals, als wir da waren, Geld ausgeben, das wir nicht haben. Aber wir werden glücklich sein, nicht wahr? Nur du und ich und nichts von all diesen Problemen.«
»Hör auf«, knurrte er, und jäh lag Zorn in seiner Stimme. Er wusste nicht, wo der hergekommen war, doch er war da, und er konnte fühlen, wie er in seinen Stimmbändern zitterte. Er sah auch, dass er sie erschreckt hatte. Er drehte ein bisschen durch. »Es tut mir leid«, sagte er. »Das geht einfach nicht.«
Er sah sie an und wusste, dass sie verstand. Er konnte sehen, wie sie darauf wartete, dass irgendjemand sie von hier fortbrachte, alles besser machte, so dass sie beide ihr Leben weiterleben konnten, doch er wusste nicht, ob er derjenige sein würde. Er wusste es ganz einfach nicht.
»Ich finde das alles schrecklich«, verkündete sie mit einiger Entschiedenheit. »Ich will einfach nur wissen, dass wir das hier überstehen werden. Nur das will ich wissen.«
»Ich sage dir nicht, dass alles gut wird«, antwortet Hunt. »Es wird nicht alles gut werden. Das hier, das können wir, dieses Haus, diese Weide, diese Pferde. Ich kann nicht einfach abhauen. Wir können nicht einfach abhauen. Aber ich sage dir, ich bin lieber pleite und mache etwas, was ich gern tue, als in irgendeinem Billigjob zu schuften und jede Minute zum Kotzen zu finden. Das ist kein Leben, und das weißt du auch.«
»Nein.«
Hunt spürte, dass sie noch mehr sagen wollte, und wartete, doch es kam nichts. Immer hatte er das Gefühl gehabt, dass sie ihn vor irgendetwas gerettet hatte. Vielleicht hatte sie ihn vor sich selbst gerettet, in jener längst vergangenen Zeit, als sie angefangen hatten, einander zu kennen. Wer wusste das schon? Er ganz bestimmt nicht. Er hoffte einfach nur, dass sich alles zum Besseren wenden würde, wie in der Vergangenheit. Dass sie einfach weitermachen konnten. Er liebte sie, das wusste er, er liebte die Pferde, und alles, worauf er hoffen konnte, war, dass er hierher würde zurückkehren können, zu seinem Haus, zu seiner Frau und seinen Pferden.
Eine Weile sahen sie dem Treiben auf der Weide zu. Dampf drang aus den Pferdelungen, quoll auf die frühmorgendliche Wiese hinaus und mischte sich mit dem verdunstenden Tau. Er ließ die Schlüssel in seiner Tasche klappern und zog die Hand weg.
Nora küsste ihn und sah zu, wie er zu dem Truck hinüberging. Als er aus der Einfahrt fuhr, konnte er sie wieder dort draußen auf der Weide sehen, wie sie die Pferde fütterte. Die Wiese färbte sich golden von der Sonne, und die Pferde um sie herum genossen es.
***
Man hatte Grady gesagt, wo er das Mädchen finden würde, und als er den Wagen anhielt, konnte er sie dort mit ihrem Koffer warten sehen. Er hupte und sah, wie sie sich umdrehte und in seine Richtung schaute. Sie sah wachsam aus, die Morgensonne hell auf ihrem Gesicht; sie wusste nicht, was er zu bieten hatte. Eine Vietnamesin. Als er aus dem Auto stieg, um ihr den Koffer abzunehmen, reichte sie ihm kaum bis zur Schulter. Er schätzte sie auf höchstens neunzehn. »Na, komm schon«, sagte er. »Nicht so schüchtern, steig ein und mach die Tür zu.« Er hatte keine Ahnung, ob sie ihn verstand. Er wusste nicht, was ihr gesagt worden war. Wahrscheinlich, dass ein paar ihrer Landsleute da sein würden, um sie abzuholen. Höchstwahrscheinlich hätte es auch so sein sollen, doch Grady fand, er könne das genauso gut, und es passte ihm perfekt ins Programm, das selbst zu erledigen.
Grady kämpfte stets mit demselben vertrauten Schmerz in seinem Herzen. Er fühlte ihn auch jetzt, als er ihr Gepäck neben seinen Messerkoffer auf den Rücksitz schmiss und die Beifahrertür öffnete. Dieser Schmerz, dieser Drang hatte ihn in den Knast gebracht und war seine Rettung gewesen. Der Gefängnispriester hatte immer gesagt, er habe den Teufel in sich, dass es der Teufel gewesen sei, der ihn hierhergebracht habe. Das hatte Grady verstanden, hatte verstanden, was der Priester sagte. Und was die Ärzte ihm davor gesagt hatten, die ihm Pillen gegeben, ihm Fragen gestellt und versucht hatten, jenen Schmerz zur Ruhe zu bringen, den er ganz tief unten in seinem Inneren spürte, wo er schwirrte wie ein kleiner Vogel, der versucht, wegzufliegen. Sie hatten gesagt, er wäre beinahe wieder so weit, sich draußen in der Gesellschaft bewegen zu können. So jung, wie er war, sollte er seine Zeit nicht im Gefängnis vergeuden.
Er hatte ihnen allen versichert, dass er
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