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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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zweihundertdreiundvierzig Einwohnern?«
    Er sah ihr an, dass ihr das hier Spaß machte. »Ja, zu Hause, wo wir hingehören.«
    »Lass es doch mal krachen. Betrachte das Ganze als Urlaub.«
    »Das ist kein Urlaub. Das ist mehr wie Schutzhaft.«
    »Ich sehe keine Wache vor der Tür.«
    »Ich bin deine Wache.« Er hob sie hoch und warf sie aufs Bett. Sie lachte, rollte sich auf der anderen Seite herunter und war wieder auf den Beinen, die Hände vor sich ausgestreckt, wartete, was er als Nächstes tun würde.
    »Kleiner Ringkampf?«, fragte sie und zog eine Braue hoch.
    Er warf ein Kissen nach ihr.
    »Sei fair«, verlangte sie.
    Er ging zu ihr und zog ihr die Jogginghose herunter.
    »Verdammt, Bobby«, wehrte sie lächelnd ab. »Ich hab gesagt fair, nicht pervers.« Sie zog die Hose wieder hoch.
    »Du hast es doch so gewollt.«
    Sie legten sich aufs Bett und bestellten sich etwas vom Zimmerservice. Nachdem sie gegessen hatten, ging Drake zum Fenster. Der Abschleppwagen war immer noch da, mit blinkendem Warnlicht. Sheri rief vom Bett herüber und wollte wissen, was er sich da ansähe. »Bloß den Unfall da unten.«
    »Wie viele Autos?«
    »Sieht aus, als wären’s drei.«
    »Das ist schlimm.«
    »Toll ist es bestimmt nicht.«
    »Solche Leute tun mir leid.«
    »Was für Leute?«
    »Leute, die mit dem Wagen liegenbleiben. Ich find’s furchtbar, auf der Straße an so was vorbeizufahren.«
    »Wieso nimmst du sie dann nicht mit?«
    »Ich glaube, das würde ich glatt machen, wenn ich so jemand da draußen allein sehen würde.«
    »Nein, würdest du nicht«, erwiderte er.
    »Na ja, wahrscheinlich nicht, aber ich hätte trotzdem ein schlechtes Gewissen.«
    »Ich denke mir immer, vielleicht haben sie’s ja verdient.«
    »Das ist gemein.«
    Drake glaubte, dass auf Abwege geratene Seelen selbst für ihre Rettung verantwortlich waren. Einen anderen Denkansatz dazu hatte er nicht, und er wollte auch keinen anderen. Die Narben waren tief, und wenn es eine Heilung gab, dachte er, dann würde sie von innen kommen und nach außen wachsen. Doch seiner Frau sagte er nichts davon, obwohl er schon daran gedacht hatte. Schließlich machte er eine simple Tatsachenaussage als Kompromiss. »Schlechte Autofahrer verursachen nun mal Unfälle«, sagte er, als wäre es ihm von Geburt an bestimmt, das zu glauben.
    »Jetzt hör sich einer das an«, erwiderte sie. »Unfälle werden durch alles Mögliche verursacht.«
    »Na ja, aber die meisten durch schlechte Fahrer.«
    »Du bist nicht gerade sehr mitfühlend, wie?«
    »So rationalisiere ich das eben«, erklärte Drake. »Wenn ich rumlaufen und behaupten würde, diese Leute wären alle gute Menschen, ich glaube, dann würde es mir das Herz brechen. Würde es in Stücke reißen.«
    »Und was hast du über diese beiden Männer in den Bergen zu sagen? Sind das gute Menschen?«
    »Ich weiß es nicht. Woran sieht man so was?«
    »Ich glaube, das kann man gar nicht sehen.«
    »Na, dann ist es ja vielleicht gerade das. Vielleicht habe ich versucht, etwas über sie rauszufinden, etwas für mich rauszufinden.«
    »Über deinen Vater?«
    Drake drehte sich nicht nach ihr um. Er hielt den Blick auf das Fenster gerichtet und schwieg. Nachdem ein wenig Zeit verstrichen und das Warnlicht mehrere Male über sein Gesicht gehuscht war, sagte er: »Ich weiß nicht. Ich wusste nicht, dass mein Vater mit so was zu tun hatte, und dann erfahre ich von seinen Schmuggelnummern unten in Arizona. Das meiste musste ich in der Zeitung lesen. Ich weiß immer noch nicht, was für ein Mensch mein Vater war, damals nicht und heute auch nicht.«
    »Du weißt doch, dass du nicht für seine Fehler geradestehen musst«, bemerkte Sheri.
    Drake wandte sich vom Fenster ab und ging zum Bett. Er war kribbelig. Den ganzen Tag war er auf den Beinen gewesen und hatte Driscolls Fragen beantwortet. Hatte das Hotelzimmer bezogen. Er hatte nicht mehr als eine halbe Stunde geschlafen, ehe Sheri mit all ihren Fragen aufgekreuzt war. »Ich weiß, dass ich nicht für ihn geradestehen muss«, sagte er. »Aber ganz gleich, was ich sage, irgendwie tue ich es andauernd.«
    ***
    Als er am Morgen erwachte, war Nora nicht da. Die Uhr zeigte Viertel vor acht. Vom Fenster aus konnte er sehen, dass die Pferde auf die Weide gebracht worden waren und Nora dort unten in Jeans und einem dicken Arbeitshemd zugange war und Heu auf den Auslauf schaffte. Er zog sich an und ging nach unten, wo er Eddies unregelmäßiges Atmen von der Wohnzimmercouch her hören

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